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Auskunftsanspruch des übergangenen pflichtteilsgeschützten Erben

Auskunftsanspruch des übergangenen pflichtteilsgeschützten Erben

Rechtsprechung
Nachlassabwicklung

Auskunftsanspruch des übergangenen pflichtteilsgeschützten Erben

E. und A. sind Eltern der Kinder B., C. und D. Mit Ehevertrag von 1993 vereinbarten sie den Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft, wobei beim Tode eines Ehegatten das ganze Gesamtgut dem andern zu Alleineigentum zufallen sollte. Gleichentags übertrugen sie B. als Erbvorbezug ein Grundstück in G. zu einem Übernahmepreis von CHF 1,1 Mio. In einem Testament von 1996 hielt E. fest, dass der Übernahmepreis damals zu hoch angesetzt worden sei, und befreite B. von einer über CHF 600 000 hinausgehenden Ausgleichungspflicht. E. verstarb 2007. 2008 eröffnete das Bezirksgericht das Testament, wobei sowohl umstritten ist, ob dieses der in Neuseeland wohnhaften D. auf dem Rechtshilfeweg zugestellt worden war, als auch, ob D. vom Ehevertrag Kenntnis hatte. 2017 erhob D. Klage. U.a. verlangt sie umfassende Auskünfte von den Miterben und Feststellung ihres Erbteils. Das Verfahren wurde vorerst auf die Beurteilung des Auskunftsanspruchs begrenzt. 

Die Beklagten A., B. und C. stellen sich auf den Standpunkt, dass beim Tod von E. keine Eigengüter vorhanden gewesen seien und folglich das gesamte eheliche Vermögen durch Anwachsung A. zu Eigentum zugefallen sei. Eine Erbteilung und damit auch der Auskunfts- und Editionsanspruch der Klägerin entfielen. 

Wird die Gütergemeinschaft durch Tod eines Ehegatten beendet, steht gemäss Art. 241 Abs. 1 ZGB jedem Ehegatten oder seinen Erben die Hälfte des Gesamtgutes zu. Es ist möglich, ehevertraglich eine andere Teilung zu vereinbaren. Solche Vereinbarungen dürfen jedoch den Pflichtteil der Nachkommen nicht beeinträchtigen (Art. 241 Abs. 2 und 3 ZGB). Wird ehevertraglich das gesamte Gesamtgut einem Ehegatten zugewiesen, so wird dieser durch Anwachsung Alleineigentümer; insofern entfällt eine Erbteilung mangels eines Nachlasses. 

Gestützt auf den Ehevertrag wurde A. nach dem Tod von E. ohne Weiteres Alleineigentümerin des Gesamtgutes. Zumindest denkbar ist, dass auch Eigengut vorhanden war und diesbezüglich eine Liquidationsgemeinschaft entstand. Wie es sich damit verhält, kann aber offenbleiben, da D. auch dann einen Auskunftsanspruch hat, wenn kein Eigengut vorhanden ist. Entscheidend ist, dass die Gesamtgutszuweisung den Pflichtteil von Nachkommen nicht verletzen darf. Ist der Pflichtteil verletzt, kann der Betroffene gemäss Art. 522 ff. ZGB auf Herabsetzung klagen. Bei der Herabsetzungsklage handelt es sich, auch wenn damit eine Gesamtgutszuweisung wegen Verletzung der Pflichtteile angefochten wird, um einen erbrechtlichen Rechtsbehelf. In diesem Zusammenhang kann sich der Betroffene daher auch auf die Auskunftsansprüche gemäss Art. 607 und 610 ZGB berufen.

Eventualiter machen die Beklagten geltend, D. habe die Frist zur Geltendmachung des Herabsetzungs- und damit des Auskunftsanspruchs verpasst. Die Herabsetzungsklage verjährt gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkt an gerechnet, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben, und in jedem Fall mit Ablauf von zehn Jahren, die bei den letztwilligen Verfügungen von dem Zeitpunkt der Eröffnung, bei den andern Zuwendungen aber vom Tode des Erblassers an gerechnet werden. Für den Beginn des Fristlaufs reicht es aus, dass der Erbe erkennt, dass der Pflichtteil verletzt ist; ein Kennenmüssen reicht jedoch nicht aus. 

Entgegen den Beklagten ist es nicht so, dass D. bereits mit Erhalt der Testamentseröffnungsverfügung und damit der Kenntnis vom Anrechnungswert für das Grundstück in G. klar sein musste, dass ihr Pflichtteil verletzt war. Denn einerseits gab der Erblasser Gründe für den neuen Anrechnungswert (Wertlosigkeit der Brandruine) an; andererseits sagt die Höhe des Anrechnungswerts noch nichts über die Höhe der gesamten Pflichtteilsberechnungsmasse aus. Mit Bezug auf den Ehevertrag hätte es an den Beklagten gelegen, rechtsgenügend zu behaupten, dass der inzwischen verstorbene Willensvollstrecker diesen der Klägerin zwischen 2008 und 2009 zur Kenntnis gebracht hatte und damit die einjährige Frist ausgelöst worden sei. Nicht ausreichend ist die Behauptung, der Willensvollstrecker habe solches zugesichert, da der Willensvollstrecker trotz Zusicherung D. den Ehevertrag nicht zur Kenntnis gebracht haben könnte. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass sowohl die relative als auch die absolute Verjährungsfrist gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB eingehalten sind. Das Obergericht schliesst ferner auch einen – grundsätzlich möglichen – stillschweigenden Verzicht auf Herabsetzung aus. Ein solcher setze nämlich voraus, dass der Verzichtende die wesentlichen Elemente seines Herabsetzungsanspruch kennt, was hier klarerweise nicht der Fall war.
 

iusNet ErbR 28.10.2019