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"Widerruf des Widerrufs" eines Testaments

"Widerruf des Widerrufs" eines Testaments

Rechtsprechung
Erbrechtliche Klagen

"Widerruf des Widerrufs" eines Testaments

5A_412/2017

D.A. hinterliess als Erben seine Söhne A.A. und B.A. (Beschwerdeführer). C. (Beschwerdegegnerin) ist die frühere Lebenspartnerin von D.A. und fordert von den Beschwerdeführern die Ausrichtung eines Vermächtnisses in Höhe von CHF 10 Mio.

Im Dezember 2010 eröffnete die Einzelrichterin eine Reihe von letztwilligen Verfügungen, darunter eine im Original vorhandene Verfügung aus dem Jahr 2008, mit welcher der Erblasser der Beschwerdegegnerin ein Vermächtnis in Höhe von CHF 10 Mio. ausrichtet, sowie ein Testament samt Nachtrag aus dem Jahr 2010, in welchem in Ziff. 7 festgehalten wird, dass diese Verfügung alle früheren letztwilligen Verfügungen und Testamente ersetze. Das Testament und der Nachtrag aus dem Jahr 2010 sind nur noch in Kopie vorhanden, wobei zwischen den Parteien unbestritten ist, dass der Erblasser diese Dokumente in Aufhebungsabsicht vernichtete. Vor Bundesgericht streitig ist die Frage, welche Bedeutung diese Vernichtung für das ältere Testament hat.

Die Vorinstanz hatte ausgeführt, dass sich zunächst die Frage stelle, ob es sich beim Testament aus dem Jahr 2010 nicht lediglich um einen Entwurf gehandelt habe. Es deutete an, dass ohne entsprechenden Testierwillen das Testament als nicht rechtsgenügend erstellt zu betrachten und deshalb unbeachtlich wäre. Diese Frage könne aber offenbleiben. Denn nachdem der Erblasser das Testament noch vor seinem Tod vernichtet habe, sei es im massgeblichen Zeitpunkt bereits untergegangen und habe gar nie Wirkung entfalten können. Als Testament verbleibe einzig dasjenige von 2008. In der Folge verurteilte es die Beschwerdegegner zur Ausrichtung des Vermächtnisses in Höhe von CHF 10 Mio. 

Die Beschwerdeführer beschweren sich zu Recht über die Auffassung, dass Verfügungen von Todes wegen ihre Wirkungen erst mit dem Tod des Erblassers entfalten. Es muss vielmehr unterschieden werden zwischen den Rechtsfolgen eines Rechtsgeschäfts (bei Verfügungen von Todes wegen die Gestaltung der Rechtslage nach dem Tod des Erblassers) und dem Tatbestand, d.h. der Mitteilung des privaten Gestaltungswillens, dass ein Recht oder ein Rechtsverhältnis begründet, geändert oder beendet werden soll. Die Verfügung von Todes wegen ist ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Die Willenserklärung hat deshalb Bestand, sobald sie der Erblasser in einer der gesetzlich vorgeschriebenen Formen (Art. 498 ff. ZGB) erklärt hat. Aus dieser Besonderheit folgt zum einen das zwingende, unverzichtbare Recht des Erblassers, seine letztwillige Verfügung jederzeit zu widerrufen. Zum anderen setzt auch der Widerruf voraus, dass der Erblasser seinen Testierwillen in einer der gesetzlich vorgeschriebenen Formen (Art. 509 ff. ZGB) tatsächlich äussert.

Aufgrund der dargestellten Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge ist die Vorinstanz bundesrechtswidrig davon ausgegangen, dass der Widerruf in Ziff. 7 aufgrund der Vernichtung gar nie wirksam geworden ist. Die Frage, ob der Erblasser im Testament von 2010 seinen Testierwillen erklärt hat, kann gerade nicht offenbleiben. Fehlte der Testierwillen, war gar keine letztwillige Verfügung vorhanden und die Vernichtung der Urkunde von vornherein nicht relevant. Lag er dagegen vor und steht der Gültigkeit dieses Rechtsgeschäfts auch sonst nichts im Wege, so stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Vernichtung dieses Testaments für das Testament aus dem Jahr 2008. 

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Sache an die Vorinstanz zurück.
 

iusNet ER 16.10.2018

Das Obergericht des Kantons Zürich macht eine Kehrtwende

In Umsetzung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids gelangt das Obergericht anhand der erhobenen Beweise zur Überzeugung, es könne nicht mehr ernsthaft angezweifelt werden, dass der Erblasser das in Aufhebungsabsicht vernichtete jüngere Testament mit Testierwillen errichtet hatte. Unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und einen überwiegenden Teil des Schrifttums hält es fest, dass Widerruf eines Widerrufs nur dann zum Wiederaufleben einer älteren Verfügung führe, wenn der Erblasser einen entsprechenden animus revivendi in den gesetzlichen Formen zum Ausdruck gebracht habe. Da dieses Kriterium nicht erfüllt war, lebte die ältere Verfügung durch die unbestritten in Aufhebungsabsicht erfolgte Vernichtung des den Widerruf enthaltenden Testaments nicht wieder auf. Die Berufung wird abgewiesen und die Abweisung des Begehrens auf Ausrichtung des Vermächtnisses durch das Bezirksgericht bestätigt (siehe Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. Dezember 2018, LB180004).