Anspruch der mit einer als Vermächtnis bezeichneten Vermögenszuwendung abgefundenen Pflichtteilserbin auf Ausstellung einer Erbbescheinigung
Anspruch der mit einer als Vermächtnis bezeichneten Vermögenszuwendung abgefundenen Pflichtteilserbin auf Ausstellung einer Erbbescheinigung
Anspruch der mit einer als Vermächtnis bezeichneten Vermögenszuwendung abgefundenen Pflichtteilserbin auf Ausstellung einer Erbbescheinigung
C. hinterliess als Erben seine Ehefrau B. und eine Tochter A. Dem Bezirksgericht (Vorinstanz) wurde ein öffentlich beurkundete letztwillige Verfügung von 2018 sowie ein Testament von 2010 zur Eröffnung eingereicht. Die Vorinstanz ermittelte die gesetzlichen Erben anhand eines Auszugs aus dem Zivilstandsregister. Mit Urteil vom Mai 2019 eröffnete sie die letztwilligen Verfügungen. U.a. stellte sie in vorläufiger Auslegung derselben B. die Ausstellung einer Erbbescheinigung in Aussicht. Dagegen erhob A. Berufung mit dem Begehren, auch ihr sei eine Erbbescheinigung in Aussicht zu stellen.
Mit der Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB bringt die Behörde die letztwillige Verfügung den Betroffenen zur Kenntnis; die Erben werden sowohl über das Vorhandensein als auch den Inhalt einer letztwilligen Verfügung informiert und ihnen wird eine Kontrollmöglichkeit eingeräumt. Das Eröffnungsgericht hat im Hinblick auf die Erbbescheinigung (Art. 559 ZGB) die gesetzlichen und die eingesetzten Erben zu ermitteln und zu diesem Zweck die Verfügungen vorläufig und unpräjudiziell auszulegen. Primär massgebend ist der Wortlaut. Externa können nur zugezogen werden, wenn dadurch im Text enthaltene Angaben geklärt oder erhärtet werden; das Gericht hat nach billigem Ermessen auf den wahren Willen des Erblassers abzustellen, soweit dieser erkennbar ist. Die definitive Auslegung und die damit verbundene Frage, wem Erbenstellung zukommt, sind dem ordentlichen Gericht vorbehalten. Im Rechtsmittelverfahren gegen die Eröffnungsverfügung wird daher nach ständiger Praxis des Obergerichts nur geprüft, ob das Eröffnungsgericht in diesem beschränkten Rahmen korrekt vorgegangen ist.
Die Vorinstanz stellte fest, dass C. B. als Alleinerbin eingesetzt hatte, und stellte demzufolge nur ihr eine Erbbescheinigung in Aussicht. Bezüglich A. hatte der Erblasser verfügt, dass er sie als Erbin ausschliesse. Sie solle aber ein Vermächtnis erhalten, und zwar in der Höhe des Pflichtteils, abzüglich ausgleichungspflichtiger Zuwendungen. A. macht geltend, auch gesetzliche Erben und damit auch sie als pflichtteilsgeschützte Erbin hätten Anspruch auf Ausstellung einer Erbbescheinigung.
Das Obergericht hält vorab fest, dass entgegen dem unklaren Wortlaut von Art. 559 ZGB nicht nur eingesetzte, sondern auch gesetzliche Erben grundsätzlich Anspruch auf Ausstellung einer Erbbescheinigung haben. C. habe A. aber ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen. Ein vollständig übergangener Pflichtteilserbe müsse seinen Anspruch auf Erbenstellung mittels Herabsetzungs- oder Ungültigkeitsurteil zu seinen Gunsten durchsetzen. A. ist demgegenüber der Meinung, ihr komme bereits jetzt Erbenstellung zu. Dies müsse auch so sein, damit sie mittels der aus der Erbenstellung fliessenden umfassenden Einsichtsrechte die vermögensrechtliche Seite im Hinblick auf eine allfällige Klage berechnen könne.
Ob A. mit Blick auf die als Vermächtnis bezeichneten Vermögenszuwendungen als vollständig übergangene Pflichtteilserbin gilt, die ihre Erbenstellung mit Herabsetzungs- bzw. Ungültigkeitsurteil zu ihren Gunsten erstreiten könnte, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Aber auch wenn dem so wäre, bestünde kein Grund, von der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesgerichts abzuweichen. Davon abgesehen könne das Pflichtteilsrecht nur dann mittels Herabsetzungsklage geltend gemacht werden, wenn der Erbe nicht dem Werte nach seinen Pflichtteil erhalten hat (vgl. Art. 522 Abs. 1 ZGB). Andernfalls sei der Pflichtteil eigentlich nicht verletzt und fehle es dem Pflichtteilserben an der Aktivlegitimation.
A. bringt unter Verweis auf BGer 5A_610/2013 vor, pflichtteilsgeschützte Erben gälten auch dann als Erben, wenn der Erblasser sie von der Erbfolge ausgeschlossen habe, ohne dass ein Enterbungsgrund vorliege. Dass sie ohne Grundangabe enterbt worden sei, behaupte A. nicht. Sie hätte aber nach der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst dann keine Erbenstellung. Dasselbe gälte auch für den Fall, dass sie nur implizit übergangen worden wäre. A.s Einwand, es sei dem pflichtteilsgeschützten Erben auf Verlangen immer eine Erbbescheinigung auszustellen, denn alles andere würde «Erblasser bevorteilen, die in rechtsmissbräuchlicher Weise bzw. unter dem theoretischen Konstrukt des in der Schweizer Bevölkerung nicht bekannten ‹virtuellen Erben› versuchen, den gesetzlichen Pflichtteil […] zu umgehen», greife nicht. Worin A. einen Rechtsmissbrauch erblicke, lege sie nicht dar und sei auch nicht ersichtlich. Sie behaupte auch nicht, der Erblasser habe sich über das Pflichtteilsrecht hinweggesetzt. Das Konzept des virtuellen Erben ermögliche es zudem gerade, und darin liege seine zentrale Funktion, einen Nachkommen von Erbenstellung und damit aus der Erbengemeinschaft auszuschliessen.
Anm. der Redaktion: Weiterzug ans Bundesgericht (5A_708/2019).
Die Erbscheinprognose durch die Eröffnungsbehörde erfolgt auf der Basis einer lediglich vorläufigen und unpräjudiziellen Auslegung der letztwilligen Verfügung, die weder verbindlich ist noch materiellrechtliche Wirkungen entfaltet. Die Möglichkeit allein, dass die Behörde bei der Beurteilung eines entsprechenden Gesuchs auf ihre frühere Einschätzung zurückgreifen könnte, reicht nicht aus, um ein aktuelles praktisches Interesse i.S.v. Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG zu begründen. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, da das Interesse schon bei deren Einreichung nicht gegeben ist (BGer 5A_708/2019 vom 21. Februar 2020).