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Vererbbarkeit von Benutzerkonten («Accounts»)

Vererbbarkeit von Benutzerkonten («Accounts»)

Auf einen Blick: Varianten der Zugriffsgewährung

  1. Kein Zugang für Erben
  2. Zugang zu gewissen Daten
  3. Eingeschränkter Zugriff auf den Account
  4. Vollständiger Zugriff auf den Account mit Weiternutzungsbefugnis

Auf einen Blick: Zulässigkeit von AGB-Klauseln bei Konsumentenverträgen nach Art. 8 UWG

  • Vollständige Ausschlüsse der Vererbbarkeit: unzulässig in Konsumentenverträgen und m.E. ebenfalls bei geschäftlichen Nutzungen nach einer rein vertragsrechtlichen AGB-Inhaltskontrolle.
  • Einschränkungen der aktiven Weiternutzung:
    • zulässig bei Personenbezogenheit der Nutzung, mangels Vererbbarkeit unnötig bei Höchstpersönlichkeit der Nutzung
    • unzulässig bei nicht primär personenbezogenen, vermögenswerten Accounts, wenn sie einem Ausschluss der Vererbbarkeit gleichkommt
    • zulässig bei nicht primär personenbezogenen, vermögenswerten Accounts, wenn der vermögenswerte Inhalt auf die Erben transferiert werden kann
    • eher unzulässig bei kommerzieller Nutzung eines (auch) personenbezogenen Accounts; hier ist allerdings die Anwendbarkeit von Art. 8 UWG grundsätzlich infrage gestellt
  • Ausschluss der Vererbbarkeit von Multimediadateien: unzulässig, es sei denn, es wurde deutlich eine auf Lebzeiten begrenzte Nutzung vereinbart
  • Legitimationsnachweise: zulässig, sofern nicht übermässig schwer oder ggf. übermässig leicht zu erlangen (Gerichtsbeschluss: unzulässig, Erbenbescheinigung: grundsätzlich zulässig, Traueranzeige: allein wohl unzulässig)
  • Deaktivierung nach Inaktivität: zulässig bei Reaktivierbarkeit
  • Tod als ausserordentlicher Kündigungsgrund für beide Parteien: zulässig
  • Umbenennung des Benutzerkontos: zulässig
  • Verbot der Weitergabe von Zugangsdaten: unwirksam gegenüber Erben, Willensvollstreckern, Stellvertretern, Vorsorgebeauftragten; allenfalls wirksam gegenüber Vermächtnisnehmern
  • Ausschluss der Löschungsmöglichkeit: unzulässig

Auf einen Blick: Rechte der Erben bezüglich Accounts (Zwischenfazit)

  • Erben treten kraft Universalsukzession in Rechte und Pflichten des Erblassers bezüglich dessen Accounts ein.
  • Dieser Grundsatz ist in AGB bei Konsumentenverträgen nur unter engen Voraussetzungen einschränkbar.
  • Höchstpersönliche Inhalte hindern die Vererbbarkeit nicht.
  • Die Erben haben Anspruch auf vollständigen Zugriff auf das Benutzerkonto entsprechend den Befugnissen des Erblassers zu Lebzeiten, zumindest mit passivem Leserecht.
  • Die aktive Weiternutzung ist bei Höchstpersönlichkeit der Nutzung nicht vom Erbrecht umfasst. Bei Personenbezogenheit kann die aktive Weiternutzung auch in AGB ausgeschlossen werden. Ansonsten haben die Erben auch Anspruch auf aktive Weiternutzung eines Accounts.
  • Die aktive Weiternutzung von ursprünglich personenbezogenen Influencer-Accounts kann m.E. bei einer überwiegenden vermögensrechtlichen Komponente vom Erbrecht umfasst sein. Der Konsumentenschutz ist aufgrund der kommerziellen Nutzung nicht gewährleistet.
  • Aus dem Eintritt in die Rechte und Pflichten des Erblassers folgt auch die Befugnis zur weiteren Verfügung über den Account, insbesondere grundsätzlich auch zur Löschung. Den Rechten der Erben können ggf. Persönlichkeitsrechte Dritter entgegenstehen.

Auf einen Blick: Daten in der Cloud

  • Verträge mit Cloud-Dienstleistern werden unabhängig von den in der Cloud gespeicherten Inhalten vererbt.
  • Aus der Rechtsnachfolge ergibt sich die Berechtigung der Erben auf Zugriff auf die Cloud und die dort gespeicherten Inhalte.
  • Daneben bestehen gegebenenfalls immaterialgüterrechtliche Ansprüche in Bezug auf bestimmte Daten.
  • Bei gemeinschaftlicher Nutzung sind die Befugnisse der Erben im Innenverhältnis (d.h. zwischen den anderen Mitnutzern) und im Aussenverhältnis (d.h. gegenüber dem Anbieter) auseinanderzuhalten.

Auf einen Blick: Geschäftlich genutzte Accounts

  • Eine im Arbeitsverhältnis genutzte Geschäfts-E-Mail-Adresse geht nicht auf die Erben über. Das Vertragsverhältnis des Erblassers bestand nur zum Arbeitgeber. Dieses erlischt mit dem Tod des Arbeitnehmers von Gesetzes wegen.
  • Aus dem Arbeitsvertrag können sich Herausgabeansprüche ergeben:
    • des Arbeitgebers gegenüber den Erben bei geschäftlichen Daten im Kontrollbereich des Erblassers (eigene Speichermedien oder Cloud-Server);
    • der Erben gegenüber dem Arbeitgeber bei privaten Daten im Kontrollbereich des Arbeitgebers (eigene oder fremde Server).
  • Bei privater Weiternutzung der E-Mail-Adresse nach der lebzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses findet ein Übergang auf die Erben statt; die ererbten Rechte bestehen gegenüber dem früheren Arbeitgeber.
  • Bei selbständigen Tätigkeiten ist zu prüfen, ob der Erblasser selbst Vertragspartei der entsprechenden Vertragsverhältnisse war. Ist dies zu bejahen, treten die Erben kraft Universalsukzession in diese Vertragsverhältnisse ein, und die geschäftlichen E-Mail-Accounts und weiteren Benutzerkonten gehen im Ergebnis auf die Erben über.
  • In internationalen Sachverhalten sind bei gewerblicher Nutzung eines Accounts ein Gerichtsstand in der Schweiz und anwendbares Schweizer Recht nicht gesichert, relevant ist das jeweilige Vertragsverhältnis.
  • Die AGB-Inhaltskontrolle findet zudem nur bei Konsumentenverträgen nach Art. 8 UWG statt. Bei geschäftlicher Nutzung findet Art. 8 UWG keine Anwendung. Unklar ist die Anwendbarkeit bei gemischten Nutzungen.

Auf einen Blick: Rolle des Persönlichkeitsrechts bei der Vererbung von Benutzerkonten

  • Das Persönlichkeitsrecht hindert die Vererbbarkeit von Benutzerkonten nicht:
    • In der Schweiz ist kein postmortaler Persönlichkeitsschutz anerkannt. Es gibt kein Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, das einer Vererbung entgegenstehen könnte.
    • Das Persönlichkeitsrecht naher Angehöriger umfasst die Wahrung des Ansehens des Verstorbenen («Andenkensschutz»). Der Andenkensschutz hindert die Vererbbarkeit von Benutzerkonten nicht.
    • Das Persönlichkeitsrecht weiterer Dritter hindert die Vererbbarkeit ebenfalls nicht.
  • Das Persönlichkeitsrecht vermittelt keine eigenständigen Zugriffsrechte neben dem Erbrecht; Entsprechendes gilt auch im Bereich des analogen Nachlasses z.B. für Tagebücher.
  • Im Einzelfall können negatorische und/oder reparatorische Ansprüche Betroffener gestützt auf Persönlichkeitsrecht bestehen (Art. 28 ff. ZGB).

Auf einen Blick: Rolle des Datenschutzrechts bei der Vererbung von Benutzerkonten

  • Datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche sind unvererbbar.
  • Das Datenschutzrecht hindert die Vererbbarkeit von Benutzerkonten nicht.
  • Die Zugriffsgewährung an die Erben ist eine rechtmässige Datenverarbeitung.
  • Das Datenschutzgesetz wurde totalrevidiert, die Referendumsfrist läuft am 14. Januar 2021 ab.
  • Gemäss dem Schlussabstimmungstext wird das Datenschutzrecht nur Anwendung auf Daten lebender Personen finden.
  • Das Datenschutzrecht vermittelt damit keine eigenständigen Auskunftsrechte neben dem Erbrecht.

Auf einen Blick: Vererbbarkeit von Benutzerkonten («Accounts»)

  • Die Erben treten kraft Universalsukzession in die Rechte und Pflichten des Erblassers bezüglich dessen Accounts ein.
  • Dieser Grundsatz ist bei Konsumentenverträgen in AGB nur unter engen Voraussetzungen einschränkbar.
  • Höchstpersönliche Inhalte von Accounts hindern die Vererbbarkeit nicht.
  • Die Erben haben Anspruch auf vollständigen Zugriff auf den Account entsprechend den Befugnissen des Erblassers zu Lebzeiten, zumindest mit passivem Leserecht.
  • Die aktive Weiternutzung ist nur bei Höchstpersönlichkeit der Nutzung nicht vom Erbrecht umfasst. Sie kann zumindest bei überwiegender Personenbezogenheit der Nutzung auch in AGB ausgeschlossen werden.
  • Berufsgeheimnisse können die ererbten Ansprüche einschränken, das Fernmeldegeheimnis hingegen nicht.
  • Verträge mit Cloud-Server-Anbietern sind vererbbar. Die Erben haben einen ererbten vertraglichen Anspruch auf Zugriff auf die Daten in der Cloud. Dies gilt auch bei Nutzung der Cloud mit Dritten. Hier sind aber auch die Befugnisse im Innenverhältnis zu beachten.
  • Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses genutzte geschäftliche Accounts gehen nicht auf die Erben über. Allenfalls bestehen Herausgabeansprüche gegenüber dem Arbeitgeber auf private Inhalte. Bei selbständigen Tätigkeiten ist entscheidend, ob der Erblasser selbst Vertragspartei der Verträge mit den jeweiligen Anbietern war. Vertragsverhältnisse des Erblassers gehen auf die Erben über. Die Auswirkungen der fehlenden Konsumentenstellung sind insbesondere in internationalen Sachverhalten zu beachten.
  • Das Persönlichkeitsrecht hindert die Vererbbarkeit nicht und vermittelt keine eigenständigen Zugriffsrechte. Allenfalls bestehen im Einzelfall negatorische und/oder reparatorische Ansprüche gestützt auf Persönlichkeitsrecht.
  • Das Datenschutzrecht steht der Zugriffsgewährung an die Erben nicht entgegen und vermittelt keine Auskunftsrechte betreffend die Daten verstorbener Personen.
iusNet ErbR 20.12.2022

Vererbbarkeit von Benutzerkonten («Accounts»)

Arbeitshilfen
Vorsorge- und Nachlassplanung

Vererbbarkeit von Benutzerkonten («Accounts»)

Cordula Lötscher

Auf einen Blick: Varianten der Zugriffsgewährung

  1. Kein Zugang für Erben
  2. Zugang zu gewissen Daten
  3. Eingeschränkter Zugriff auf den Account
  4. Vollständiger Zugriff auf den Account mit Weiternutzungsbefugnis

Auf einen Blick: Zulässigkeit von AGB-Klauseln bei Konsumentenverträgen nach Art. 8 UWG

  • Vollständige Ausschlüsse der Vererbbarkeit: unzulässig in Konsumentenverträgen und m.E. ebenfalls bei geschäftlichen Nutzungen nach einer rein vertragsrechtlichen AGB-Inhaltskontrolle.
  • Einschränkungen der aktiven Weiternutzung:
    • zulässig bei Personenbezogenheit der Nutzung, mangels Vererbbarkeit unnötig bei Höchstpersönlichkeit der Nutzung
    • unzulässig bei nicht primär personenbezogenen, vermögenswerten Accounts, wenn sie einem Ausschluss der Vererbbarkeit gleichkommt
    • zulässig bei nicht primär personenbezogenen, vermögenswerten Accounts, wenn der vermögenswerte Inhalt auf die Erben transferiert werden kann
    • eher unzulässig bei kommerzieller Nutzung eines (auch) personenbezogenen Accounts; hier ist allerdings die Anwendbarkeit von Art. 8 UWG grundsätzlich infrage gestellt
  • Ausschluss der Vererbbarkeit von Multimediadateien: unzulässig, es sei denn, es wurde deutlich eine auf Lebzeiten begrenzte Nutzung vereinbart
  • Legitimationsnachweise: zulässig, sofern nicht übermässig schwer oder ggf. übermässig leicht zu erlangen (Gerichtsbeschluss: unzulässig, Erbenbescheinigung: grundsätzlich zulässig, Traueranzeige: allein wohl unzulässig)
  • Deaktivierung nach Inaktivität: zulässig bei Reaktivierbarkeit
iusNet ErbR 20.12.2022

 

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