iusNet Erbrecht

Schulthess Logo

Erbrecht > Arbeitshilfen > Vermächtnisklage

Vermächtnisklage

Vermächtnisklage

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

Der Erblasser, schweizerischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in der Stadt Zürich, hinterlässt als seine gesetzlichen Erben seine beiden Söhnen aus seiner ersten Ehe. Er lebte nach seiner Ehescheidung viele Jahre zusammen mit seiner neuen Lebenspartnerin in einer in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung in der Stadt Zürich. Zwei Jahre vor seinem Ableben errichtete er eine eigenhändige letztwillige Verfügung, in welcher er seiner Lebenspartnerin ein Vermächtnis des Inhalts ausrichtete, dass diese nach seinem Ableben die Eigentumswohnung erhalten solle, verbunden mit der Auflage, die darauf lastende Hypothekarschuld zu übernehmen. Weitere Anordnungen traf der Erblasser in seinem Testament nicht.

Nach seinem Ableben verblieb die Lebenspartnerin in der Eigentumswohnung und verlangte von den beiden Söhnen, dass diese gegenüber dem zuständigen Grundbuchamt die Grundbuchanmeldung abgeben, die notwendig ist, damit die Lebenspartnerin als Alleineigentümerin der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen werden kann. Die Söhne weigerten sich, hierzu Hand zu bieten. Sie teilten der Lebenspartnerin mit, dass ihrer Auffassung nach der Erblasser im Zeitpunkt der Niederschrift des Testaments urteilsunfähig gewesen sei. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte – so die Söhne weiter –, würde die Ausrichtung des Vermächtnisses ihren Pflichtteil verletzen.

In der Folge kann sich die Lebenspartnerin mit den beiden Söhnen über die Ausrichtung des Vermächtnisses nicht einigen. Sie entschliesst sich, rund 15 Monate nach dem Ableben des Erblassers, gegen die Söhne die Vermächtnisklage anzustrengen.

2. Probleme und Risiken bei der Vermächtnisklage

Gemäss Art. 562 Abs. 1 ZGB hat ein Vermächtnisnehmer stets nur einen obligatorischen Anspruch gegenüber dem oder den beschwerten Erben auf Ausrichtung des Vermächtnisses. Das gilt sowohl bei einem Geldlegat als auch bei einem Sachlegat. Der Vermächtnisnehmer hat daher in der Regel auch keine Kenntnisse in Bezug auf die Zusammensetzung und die Höhe des Nachlasses, und er hat auch keinen Anspruch auf diese Informationen, es sei denn, er sei gleichzeitig auch Erbe (vgl. dazu nachfolgend unter III. Ergänzende Hinweise, 8. Erbe und Vorausvermächtnis, Rz 33).

Der reine Gläubigerstatus des Vermächtnisnehmers findet seinen Niederschlag auch in der Praxis der Behörde, welche die entsprechende Verfügung von Todes wegen eröffnet. Dem Vermächtnisnehmer wird in aller Regel lediglich eine sogenannte Vermächtnisanzeige zugestellt, mithin ein Teilauszug des Testaments oder des Erbvertrags, soweit dieses bzw. dieser den Vermächtnisnehmer angeht (vgl. Art. 558 Abs. 1 ZGB). Er hat dementsprechend auch keine Kenntnis hinsichtlich des vollständigen Wortlauts der Verfügung von Todes wegen.

Die einzige gesetzliche Bestimmung, die sich zur Vermächtnisklage als dem prozessualen Rechtsbehelf des Vermächtnisnehmers zur Durchsetzung seines Vermächtnisanspruches äussert, ist Art. 601 ZGB. Diese Norm befasst sich allein mit der Verjährung der Klage (vgl. dazu I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert, Rz 8). Es obliegt daher Lehre und Rechtsprechung, die prozessualen Modalitäten der Vermächtnisklage näher zu regeln.

Generell gilt in der Erbrechtspraxis, dass die Vermächtnisklage weit seltener ist als etwa die Erbteilungs-, Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage.

3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert

Gemäss Art. 601 ZGB verjährt die Klage des Vermächtnisnehmers innerhalb von zehn Jahren. Ganz im Gegensatz zur Herabsetzungs- oder Ungültigkeitsklage (vgl. dazu bei den entsprechenden Klagen) handelt es sich hierbei um eine echte Verjährungsfrist. Sie kann somit gemäss Art. 135 ff. OR auch unterbrochen werden. Nach dem Wortlaut von Art. 601 ZGB beginnt die Frist im Grundsatz im Zeitpunkt der amtlichen Mitteilung des Vermächtnisses an den Begünstigten im Sinne von Art. 558 Abs. 1 ZGB. Dieser Fristenlauf kann allerdings in Anwendung von Art. 562 Abs. 2 ZGB erst dann einsetzen, wenn die mit der Ausrichtung des Vermächtnisses beschwerten Erben die Erbschaft positiv angenommen haben oder den Nachlass nicht mehr ausschlagen können (vgl. BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 257). Hat der Erblasser in der Verfügung von Todes wegen die Fälligkeit des Vermächtnisses auf einen späteren Zeitpunkt als sein Ableben festgesetzt, beginnt auch die zehnjährige Verjährungsfrist erst mit diesem späteren Zeitpunkt.

Mit Bezug auf den Streitwert weist die Vermächtnisklage keine Besonderheiten auf. Sie ist eine vermögensrechtliche Klage, und ihr Streitwert entspricht dem Wert des eingeklagten Vermächtnisses. Auf der Basis dieses Streitwertes wird der Kläger in der Regel auch einen Kostenvorschuss im Sinne von Art. 98 ZPO zu leisten haben.

II. Klageschrift

Musterklageschrift zum Download

III. Ergänzende Hinweise

1. Örtliche Zuständigkeit

Weil die Vermächtnisklage als reine Forderungsklage zu qualifizieren ist, würde es an sich nahe liegen, dass für sie der ordentliche Gerichtsstand am Wohnsitz bzw. Sitz des oder der beklagten Erben gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a und b ZPO gälte. Da die Klage indessen ihren Rechtsgrund im Erbrecht hat, ist sie unbestrittenermassen eine erbrechtliche Klage im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZPO (vgl. statt aller KUKO ZPO-HAAS/STRUB, Art. 28 N 2). Sie ist mithin beim Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers anzustrengen. 

2. Anwendbares Verfahren

Mit Bezug auf das auf die Vermächtnisklage anwendbare Verfahren gelten die allgemeinen Grundsätze. Bis zu einem Streitwert der Klage von CHF 30‘000.00 kommt das vereinfachte Verfahren im Sinne von Art. 243 ff. ZPO zur Anwendung. Bei entsprechend höherem Streitwert gilt das ordentliche Verfahren.

In einfachen und überblickbaren Verhältnissen, das heisst mithin bei Liquidität des Sachverhalts und der Rechtslage, kann für eine Vermächtnisklage durchaus das Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen im Sinne von Art. 257 ZPO angewendet werden. Der Kläger wird diese Verfahrensart allerdings mit Vorteil nur dann wählen, wenn die Erben vorprozessual keine substantiierten Einwendungen oder Einreden gegenüber dem Vermächtnis geltend gemacht haben, andernfalls er riskiert, dass das Gericht zufolge Illiquidität auf das Begehren nicht eintritt. Optiert der Kläger für das Verfahren gemäss Art. 257 ZPO, entfällt das Schlichtungsverfahren (vgl. Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 198 lit. a ZPO).

Zu beachten ist überdies, dass ein Testament oder Erbvertrag, in welchem einem Vermächtnisnehmer ein ziffernmässiges Vermächtnis zugewendet wird (Bsp.: «X erhält als Vermächtnis einen Geldbetrag von CHF 20‘000.00.»), einen provisorischen Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 82 Abs. 1 SchKG darstellt (vgl. BSK SchKG I-STAEHELIN, Art. 82 N 66, mit Verweis auf BGer 5A_108/2009 vom 06.04.2009). Der Vermächtnisnehmer kann in einem solchen Fall von einer Klage gegen die belasteten Erben absehen, diese betreiben und auf einen Rechtsvorschlag hin das Rechtsöffnungsverfahren beschreiten. Wird ihm provisorische Rechtsöffnung gewährt, kann er nicht nur die provisorische Pfändung verlangen (vgl. Art. 83 Abs. 1 SchKG), sondern hat auch den Vorteil, dass die Erben als Kläger die Aberkennungsklage anstrengen müssen, wenn sie das Vermächtnis nach wie vor bestreiten wollen.

3. Aktiv- und Passivlegitimation

Bei der Aktivlegitimation zur Vermächtnisklage ist danach zu unterscheiden, ob einer oder mehrere Vermächtnisnehmer je einzeln am Vermächtnisgegenstand berechtigt sein sollen oder ob auf eine gemeinsame Berechtigung mehrerer Personen am Vermächtnisobjekt geschlossen werden muss (Bsp.: «Mein Ferienhaus vermache ich dem Ehepaar A und B.»). Wie es sich dabei verhält, hängt vom Willen des Erblassers ab. Es handelt sich demnach letztlich um eine Auslegungsfrage. Ist auf eine gemeinsame Berechtigung und nicht auf eine Einzelberechtigung zu erkennen, müssen alle begünstigten Personen im Sinne einer notwendigen aktiven Streitgenossenschaft klagen (vgl. z.B. PraxKomm Erbrecht-ABT, Art. 601 ZGB N 8, mit weiteren Hinweisen).

Mit Bezug auf die Passivlegitimation gilt Folgendes:

Ist Gegenstand des Vermächtnisses eine (bewegliche oder unbewegliche) Sache, sind alle Erben, die gemäss Art. 602 Abs. 2 ZGB Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und somit auch des Vermächtnisobjekts sind, als notwendige Streitgenossen auf Beklagtenseite einzuklagen.

Bei einem Geldlegat hat der Vermächtnisnehmer die Wahl, aufgrund der gesetzlichen Solidarhaftung der Erben gemäss Art. 603 Abs. 1 ZGB jeden einzelnen Erben oder auch alle Erben (im Sinne einer einfachen Streitgenossenschaft) ins Recht zu fassen.

Hat der Erblasser einen Willensvollstrecker berufen, so ist dieser nach der Rechtsprechung für die Vermächtnisklage ebenfalls passivlegitimiert, und zwar alleine oder zusätzlich zu den Erben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der entsprechende Vermächtnisgegenstand beim Sachlegat oder das Erbschaftsvermögen beim Geldlegat noch ungeteilt vorhanden ist bzw. sind, so dass der Willensvollstrecker in Nachachtung von Art. 518 Abs. 2 ZGB das Vermächtnis ausrichten kann (vgl. zum Ganzen z.B. BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 255).

4. Geldlegat und Verzugszins/Ertrag des Vermächtnisses

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Frage, inwieweit der Vermächtnisnehmer eines Geldlegats von den Erben Verzugszins fordern kann. Unproblematisch sind vorab diejenigen Fälle, in welchen der Erblasser selbst in der Verfügung von Todes wegen einen derartigen Verzugszins festlegt oder aber einen Verfalltag anordnet, bis zu welchem das Vermächtnis ausbezahlt werden muss. Im letzteren Falle beginnt die Verzugszinspflicht der Erben gemäss Art. 102 Abs. 2 OR mit diesem Verfalltag, ohne dass es einer Mahnung seitens des Vermächtnisnehmers bedarf. Ohne anderweitige Anordnung des Erblassers sind diesfalls Verzugszinsen von 5% p.a. geschuldet. Hat der Erblasser mit Bezug auf den Verzugszins nichts verfügt, bedarf es einer Mahnung seitens des Vermächtnisnehmers, um die Verzugszinspflicht der Erben auszulösen (vgl. PraxKomm Erbrecht-ABT, Art. 601 ZGB N 16 mit dem Hinweis, dass diese Frage in der Doktrin kontrovers beurteilt wird).

Eng mit der Frage nach den Verzugszinsen bei Geldvermächtnissen ist diejenige verbunden, wie es sich mit den Erträgen des Vermächtnisobjektes verhält, die zwischen Todestag und dem Tag der Ausrichtung des Vermächtnisses anfallen. Zu denken ist beispielsweise an ein Mehrfamilienhaus, das Gegenstand eines Vermächtnisses ist. Fallen die zwischen dem Todestag des Erblassers und der Vermächtnisausrichtung fällig gewordenen Mietzinseinnahmen dem Vermächtnisnehmer zu oder verbleiben sie im Nachlass? Das Obergericht des Kantons Zürich hat sich in einem Entscheid vom 22. Dezember 1995 zu Gunsten des Vermächtnisnehmers entschieden (vgl. OGer ZH, 22.12.1995, ZR 1997 Nr. 27; so auch z.B. TUOR/SCHNYDER/JUNGO, Zivilgesetzbuch, § 77 Rz 32). Danach fällt der Ertrag des Vermächtnisgegenstandes ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Vermächtnisses dem Vermächtnisnehmer zu, ohne dass es hierfür einer Inverzugsetzung bedarf. Es versteht sich von selbst, dass der Erblasser sich auch zu dieser Frage in der Verfügung von Todes wegen aussprechen kann, und es ist ihm in der Nachlassberatung auch zu empfehlen, dass er das tatsächlich tut.

5. Vorsorgliche Massnahmen

Ein besonderes Augenmerk aus der Sicht des Vermächtnisnehmers ist auf die Thematik der vorsorglichen Massnahmen zu richten. Weil die Verfügungsbefugnis mit Bezug auf den Vermächtnisgegenstand bis zur Erfüllung der Vermächtnisforderung bei den Erben verbleibt, ist ein Schädigungspotential für den Vermächtnisnehmer augenscheinlich (vgl. dazu sehr illustrativ BGer 4A_91/2014 vom 11.07.2014, in welchem Urteil das Bundesgericht eine Haftung des Anwalts einer Vermächtnisnehmerin, der taugliche Vorkehren zur Sicherung der testamentarischen Ansprüche seiner Klientin unterlassen hat, bejaht hat).

Mit Bezug auf die Rechtsgrundlage für derartige vorsorgliche Massnahmen ist auf Folgendes hinzuweisen:

Gemäss der (oftmals übersehenen) Bestimmung von Art. 594 Abs. 2 ZGB können die Vermächtnisnehmer zu ihrer Sicherstellung vorsorgliche Massregeln verlangen, wenn begründeter Anlass dafür besteht, dass ihr Vermächtnisanspruch nicht erfüllt wird und wenn dieser auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt wird. Diese Bestimmung scheitert in der Praxis des Öfteren daran, dass ein solches Begehren nach Art. 594 Abs. 1 ZGB nur innerhalb von drei Monaten vom Tode des Erblassers bzw. der Eröffnung des Testaments an gerechnet verlangt werden kann. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob die Vermächtnisnehmer auch nach Ablauf dieser in der Praxis unrealistisch kurzen Dreimonatsfrist von Art. 594 Abs. 1 ZGB vorsorgliche Massnahmen verlangen können. Die Frage ist nicht restlos geklärt, doch ist unter der Ägide der ZPO wohl davon auszugehen, dass ein Vermächtnisnehmer alternativ zu Art. 594 Abs. 2 ZGB auf der Basis von Art. 261 ff. ZPO vorsorgliche Massnahmen beantragen kann (vgl. dazu PraxKomm Erbrecht-NONN/ENGLER, Art. 594 ZGB N 31a und PraxKomm Erbrecht-SCHWEI-ZER, Anhang ZPO N 53a). Dies gilt in Anwendung von Art. 263 ZPO insbesondere auch für den Fall, dass die Vermächtnisklage noch nicht rechtshängig ist.

Als vorsorgliche Massnahme drängt sich bei Grundstücken eine Vormerkung im Sinne von Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB auf. Dies gilt auch bei anderen Vermächtnisansprüchen, zu deren materiell-rechtlicher Realisierung ein Grundbucheintrag notwendig ist (vgl. hierzu BSK ZGB II-SCHMID, Art. 960 N 4), wie beispielsweise bei einer Nutzniessung oder einem Wohnrecht. Dagegen ist die oftmals als vorsorgliche Massnahme genannte Grundbuch- oder Kanzleisperre, die von der Vormerkung im Sinne von Art. 960 ZGB zu unterscheiden ist (vgl. dazu BSK ZGB II-SCHMID, Art. 960 N 2 und Art. 946 N 68 f.), in dem Sinne subsidiär, als sie nicht in Frage kommt, wenn eine Vormerkung nach Art. 960 ZGB möglich ist (vgl. Art. 56 lit. b GBV).

Ist ein reiner Geldanspruch Gegenstand des Vermächtnisses, ist der Vorbehalt von Art. 269 lit. a ZPO zu beachten. Es können diesfalls ausschliesslich die Bestimmungen des Arrestes gemäss Art. 271 ff. SchKG herangezogen werden. Mithin müsste der Vermächtnisnehmer in einer solchen Konstellation insbesondere einen Arrestgrund gemäss Art. 271 SchKG glaubhaft machen können. Andere Sicherungsmassnahmen scheiden als unzulässige versteckte oder verkappte Arreste aus (vgl. z.B. PraxKomm Erbrecht-NONN/ENGLER, Art. 594 ZGB N 31c).

6. Das Grundstück als Vermächtnis

Ist Gegenstand des Vermächtnisses ein Grundstück im Sinne von Art. 655 Abs. 2 ZGB, ist auf die folgenden beiden Besonderheiten hinzuweisen:

Ist das Grundstück grundpfandrechtlich belastet, geht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zwar die Pfandlast mit dem Grundstück auf den Vermächtnisnehmer über, aber die persönliche Schuldpflicht verbleibt im Grundsatz bei den Erben (vgl. PraxKomm Erbrecht-BURKART, Art. 485 ZGB N 14 mit Hinweisen). Es entsteht mithin ein Drittpfandverhältnis. Das ist in der Regel nicht erwünscht und dürfte für gewöhnlich auch nicht den Vorstellungen des Erblassers entsprechen. Es ist deshalb in der Beratungspraxis zu raten, dass der Vermächtnisnehmer im Sinne einer Auflage gemäss Art. 482 ZGB dazu verhalten wird, (auch) die persönliche Schuldpflicht aus dem Kreditverhältnis zu übernehmen (wie in der vorliegenden Musterklage angenommen).

Der Anspruch des Vermächtnisnehmers (auch) bei einem Grundstück geht auf Leistung (vgl. BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 252), das heisst auf die Vornahme des Übertragungsaktes, der erforderlich ist, damit der Vermächtnisnehmer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden kann (vgl. PraxKomm Erbrecht-HÄUPTLI, Art. 562 ZGB N 12 sowie einlässlich zur Dogmatik der Vermächtnisforderung BSK ZGB II-HUWILER, Art. 562 N 16 ff.). Das ist die von den Erben abzugebende, schriftliche Grundbuchanmeldung im Sinne von Art. 963 Abs. 1 ZGB. Der Vermächtnisnehmer hat daher auf diese Abgabe der Grundbuchanmeldung als einer Willenserklärung im Sinne von Art. 344 Abs. 1 ZPO zu klagen. Hierbei handelt es sich um eine Leistungsklage. Heisst das Gericht die Klage gut, wird die Willenserklärung gemäss Art. 344 Abs. 1 ZPO direkt durch das Urteil im Erkenntnisverfahren ersetzt. Der Vermächtnisnehmer ist somit von einem Vollstreckungsverfahren entbunden (vgl. z.B. KUKO ZPO-KOFMEL/EHRENZELLER, Art. 344 N 4), und das urteilende Gericht erteilt gemäss Art. 344 Abs. 2 ZPO dem Grundbuchamt direkt die notwendigen Anweisungen für die Eintragung des Vermächtnisnehmers als neuen Eigentümer. Diese Eintragung wirkt für den Eigentumswechsel konstitutiv (vgl. Art. 64 Abs. 1 lit. h GBV).

Hingegen kann der Vermächtnisnehmer wohl nicht die Gestaltungsklage erheben, dass ihm im Sinne von Art. 665 Abs. 1 ZGB das Eigentum am vermachten Grundstück zuzusprechen sei, weil sein Anspruch nicht auf den Erwerb der Rechtszuständigkeit am zugewendeten Objekt geht (vgl. BSK ZGB II-HUWILER, Art. 562 N 16). Insofern unterscheidet sich der Anspruch eines Vermächtnisnehmers vom vertraglichen Rechtsverschaffungsanspruch beispielsweise des Käufers im öffentlich beurkundeten Grundstückskaufvertrag. Allerdings ist der Unterschied zwischen der Gestaltungsklage mit der unmittelbaren Zusprechung des Eigentums und der Leistungsklage mit der Verpflichtung zur Abgabe der Willenserklärung in Kombination mit der Anweisung des Grundbuchamtes im Sinne von Art. 344 Abs. 2 ZPO nur noch minimal (vgl. SUTTER-SOMM, SPR V/1, Rz 507).

7. Die Einrede der Ungültigkeit oder Herabsetzung

Die mit der Vermächtnisklage beklagten Erben können die Einrede der Ungültigkeit der das Vermächtnis beinhaltenden Verfügung von Todes wegen oder die Einrede der Herabsetzung der entsprechenden Verfügung von Todes wegen im Falle einer Pflichtteilsverletzung erheben. Für beide Einreden tragen die Erben die Beweislast, und – wichtiger – beide Einreden können gemäss Art. 521 Abs. 3 ZGB und Art. 533 Abs. 3 ZGB der Vermächtnisklage jederzeit entgegen gehalten werden, mithin auch Jahre nach Ablauf der einjährigen Verwirkungsfrist für die Ungültigkeits- bzw. Herabsetzungsklage.

Schützt das Gericht die Ungültigkeitseinrede, geht der Vermächtnisnehmer seiner Anspruchsgrundlage verlustig, und die Vermächtnisklage wird abgewiesen. Hat die Herabsetzungseinrede Erfolg, ist Art. 526 ZGB zu beachten. Danach hat der Vermächtnisnehmer die Wahl, das Vermächtnisobjekt gleichwohl an sich zu ziehen und den Mehrbetrag in den Nachlass zu leisten oder aber anstelle des Vermächtnisobjektes den verfügbaren Geldbetrag zu beanspruchen. Das Gericht hat dem Vermächtnisnehmer zur Ausübung dieses Wahlrechtes Frist anzusetzen, wenn es die Herabsetzungseinrede als begründet erachtet.

8. Erbe und Vorausvermächtnis

Ein Erblasser kann selbstverständlich nicht nur einer Drittperson ein Vermächtnis ausrichten, sondern auch einen Erben zusätzlich mit einem Vermächtnis begünstigen. Das Gesetz vermutet allerdings ein derartiges Vorausvermächtnis zu Gunsten eines Erben gerade nicht (vgl. Art. 522 Abs. 2 und Art. 608 Abs. 3 ZGB). Es ist deshalb in der Beratungspraxis auf eine unmissverständliche Formulierung in der entsprechenden Verfügung von Todes wegen zu achten, damit dem betreffenden Erben der Vorteil des Vorausvermächtnisses auch sicher zukommt. Dieses muss natürlich in jedem Falle auch die Pflichtteile der übrigen Erben wahren.

Schliesslich ist auf die in der Praxis nicht seltene Kombination einer Teilungsvorschrift mit einem Vorausvermächtnis hinzuweisen, die darin besteht, dass der Erblasser ein Nachlassobjekt einem Erben zuweist (Teilungsvorschrift) und gleichzeitig den in der Erbteilung zur Anwendung gelangenden Anrechnungswert dieses Objektes tiefer als den Verkehrswert (oftmals den Steuerwert) festsetzt (Vorausvermächtnis). Auch diese Begünstigung des betreffenden Erben darf selbstredend die Pflichtteile der übrigen Erben nicht verletzen.

 

 

iusNet ErbR 26.04.2019

Vermächtnisklage

Arbeitshilfen
Erbrechtliche Klagen

Vermächtnisklage

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

Der Erblasser, schweizerischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in der Stadt Zürich, hinterlässt als seine gesetzlichen Erben seine beiden Söhnen aus seiner ersten Ehe. Er lebte nach seiner Ehescheidung viele Jahre zusammen mit seiner neuen Lebenspartnerin in einer in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung in der Stadt Zürich. Zwei Jahre vor seinem Ableben errichtete er eine eigenhändige letztwillige Verfügung, in welcher er seiner Lebenspartnerin ein Vermächtnis des Inhalts ausrichtete, dass diese nach seinem Ableben die Eigentumswohnung erhalten solle, verbunden mit der Auflage, die darauf lastende Hypothekarschuld zu übernehmen. Weitere Anordnungen traf der Erblasser in seinem Testament nicht.

Nach seinem Ableben verblieb die Lebenspartnerin in der Eigentumswohnung und verlangte von den beiden Söhnen, dass diese gegenüber dem zuständigen Grundbuchamt die Grundbuchanmeldung abgeben, die notwendig ist, damit die Lebenspartnerin als Alleineigentümerin der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen werden kann. Die Söhne weigerten sich, hierzu Hand zu bieten. Sie teilten der Lebenspartnerin mit, dass ihrer Auffassung nach der Erblasser im Zeitpunkt der Niederschrift des Testaments urteilsunfähig gewesen sei. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte – so die Söhne weiter –, würde die Ausrichtung des Vermächtnisses ihren Pflichtteil verletzen.

iusNet ErbR 26.04.2019

 

Der komplette Artikel mit sämtlichen Details steht exklusiv iusNet Abonnenten zur Verfügung.