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Herabsetzungsklage

Herabsetzungsklage

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

X, wohnhaft in Meilen (ZH), hat einen Sohn (S) und eine Tochter (T). Am 10. Juli 2005 hat er T ein Mehrfamilienhaus in Thalwil (ZH), das zu diesem Zeitpunkt unbelastet war, unentgeltlich übertragen. Der Verkehrswert des Mehrfamilienhauses belief sich im Übertragungszeitpunkt auf CHF 3 Mio. X hinterlässt im Zeitpunkt des Todes einen Nettonachlass von CHF 2 Mio. Dieser setzt sich aus einem Einfamilienhaus in Meilen (Verkehrswert im Todeszeitpunkt CHF 1.5 Mio.) und einem Bankvermögen von CHF 500‘000.00 zusammen. Das T bereits zu Lebzeiten übertragene Mehrfamilienhaus hat im Zeitpunkt des Todes von X einen Verkehrswert von CHF 4 Mio. In einer am 4. Januar 2014 errichteten letztwilligen eigenhändigen Verfügung weist X seiner Lebenspartnerin (L) das Einfamilienhaus in Meilen als Vermächtnis zu, im Übrigen bestätigt X die gesetzliche Erbfolge, hält jedoch fest, dass T die Zuwendung des Mehrfamilienhauses nicht auszugleichen hat. 

2. Probleme und Risiken bei der Herabsetzungsklage 

a) Prüfung einer Pflichtteilsverletzung

Die Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB bezweckt die Wiederherstellung des Pflichtteils des pflichtteilsgeschützten Erben, wenn der Erblasser durch Verfügungen von Todes wegen oder durch lebzeitige Zuwendungen seine Verfügungsfreiheit über-schritten hat. Abgesehen von der Zuwendung eines bestimmten Bruchteils der Erbschaft lässt sich in der Praxis häufig nicht ohne Weiteres feststellen, ob Verfügungen des Erblassers den Pflichtteil verletzen. Die Prüfung, ob eine Pflichtteilsverletzung vorliegt, erfolgt anhand von drei Schritten (vgl. zu diesem Prüfschema und zum Folgenden im Einzelnen ZEITER, Wertveränderungen, S. 293 ff., auch mit Hinweisen auf abweichende Lehrmeinungen): 

In einem ersten Schritt werden die konkreten Pflichtteile berechnet. Diese Berechnung erfolgt gestützt auf die sogenannte Pflichtteilsberechnungsmasse. Dabei werden – rein rechnerisch – zum Nettonachlass (wobei die von Todes wegen erfolgten Zuwendungen, das heisst die Vermächtnisse, nicht abgezogen werden dürfen) die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen (Art. 626 ZGB) sowie die in Art. 475 und 476 ZGB aufgezählten Zuwendungen und Leistungen hinzugerechnet. Die Berechnung erfolgt gestützt auf den Verkehrswerten per Todestag des Erblassers (sogenanntes Todestagprinzip), und zwar mit Bezug auf den Nettonachlass (inkl. Vermächtnisse) als auch mit Bezug auf die ausgleichungspflichtigen und herabsetzbaren Zuwendungen. 

In einem zweiten Schritt wird mittels Schattenrechnung festgestellt, wie viel jeder einzelne Erbe erhalten würde, wenn die Erbteilung gestützt auf den tatsächlichen Willen des Erblassers mit den Werten per Todestag durchgeführt würde. 

In einem dritten Schritt werden die beiden Resultate gegenübergestellt. Erhält der pflichtteilsgeschützte Erbe bei der fiktiv durchgeführten Erbteilung gestützt auf den erblasserischen Willen mehr als seinen Pflichtteil, liegt keine Pflichtteilsverletzung vor. Diesfalls ist die Frage der Pflichtteilsverletzung endgültig erledigt, unabhängig allfälliger Wertveränderungen bei den Nachlassaktiven und -passiven oder der zu berücksichtigenden lebzeitigen Zuwendungen. Eine Pflichtteilsverletzung kann aufgrund von Wertveränderungen nach dem Tod des Erblassers weder entstehen noch «geheilt» werden.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass durch die Tatsache, dass eine Zuwendun-gen gestützt auf Art. 475 oder 476 ZGB «hinzugerechnet» wird, noch nichts darüber gesagt ist, ob eine einzelne Zuwendung auch tatsächlich herabgesetzt wird. Daher ist empfehlenswert, die Prüfung einer allfälligen Pflichtteilsverletzung vor Einreichung der Herabsetzungsklage durchzuführen. Sollte eine solche Prüfung mangels Informationen im Zeitpunkt der Klageeinleitung nicht möglich sein, ist die Herabsetzungsklage mit einer Auskunftsklage zu verbinden (zur objektiven Klagenhäufung III. Ergänzende Hinweise, 6. Kombination der Herabsetzungsklage mit anderen erbrechtlichen Klagen, Rz 28). Mit einer solchen Vorgehensweise lässt sich auch der Streitwert im Rahmen einer Herabsetzungsklage im Rahmen halten, solange nicht abgeschätzt werden kann, ob tatsächlich eine Pflichtteilsverletzung vorliegt (vgl. dazu I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert, Rz 17).

b) Einhaltung der Herabsetzungsreihenfolge

Bei Vorliegen einer Pflichtteilsverletzung gilt bei der Einreichung einer Herabsetzungsklage ein besonderes Augenmerk der Herabsetzungsreihenfolge, also der Frage, welche Zuwendungen überhaupt zur Wiederherstellung des Pflichtteils herabgesetzt werden können und gegen wen sich die Herabsetzungsklage richten muss. Diese Herabsetzungsreihenfolge ergibt sich primär aus dem erblasserischen Willen, sekundär aus Art. 532 ZGB. Gemäss Art. 532 ZGB werden in erster Linie die Verfügungen von Todes wegen herabgesetzt. Bei mehrerer Verfügungen von Todes wegen erfolgt eine proportionale Herabsetzung (Art. 525 ZGB). Erst wenn die Herabsetzung der Verfügungen von Todes wegen zur Wiederherstellung des Pflichtteils nicht ausreicht, sind in zweiter Linie die Zuwendungen unter Lebenden herabzusetzen. Die Herabsetzung der lebzeitigen Zuwendungen erfolgt nach der Alterspriorität, also in der Reihenfolge ihrer Ausrichtung (d.h. die jüngeren vor den älteren Zuwendungen, wobei die Verpflichtung zur Ausrichtung der Zuwendungen, nicht der Vollzug massgebend ist). Nur bei gleichzeitig erfolgten lebzeitigen Zuwendungen erfolgt (wiederum) eine proportionale Herabsetzung (vgl. zum Ganzen PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 522 ZGB N 1 ff. und Art. 532 N 1 ff. mit Hinweisen). 

Die vorstehende Herabsetzungsreihenfolge sollte bei der Einreichung der Klage auf Wiederherstellung des Pflichtteils unbedingt beachtet werden. Ein Abweichen von bzw. ein Nichteinhalten dieser Reihenfolge geht zu Lasten des Klägers. Mit anderen Worten muss sich der Beklagte eine Herabsetzung nur in jenem Umfang gefallen lassen, wie wenn sämtliche (vorgängig einzuklagenden) Herabsetzungsschuldner eingeklagt worden wären. Erschwerend kommt bei der Frage, wer Beklagter der Herabsetzungsklage ist, hinzu, dass bis heute nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob in Ergänzung zum Wortlaut von Art. 532 ZGB in erster Linie, also noch vor den Verfügungen von Todes wegen, der Intestaterwerb herabzusetzen ist. In der Lehre ist diese Frage umstritten (bejahend etwa TUOR/SCHNYDER/JUNGO, Zivilgesetzbuch, § 69 Rz 56; ablehnend bspw. WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 492 je mit Hinweisen).

c) Beschaffenheit des Pflichtteils

Gemäss Wortlaut von Art. 522 Abs. 1 ZGB hat der pflichtteilsgeschützte Erbe Anspruch darauf, dass er seinen Pflichtteil «dem Werte nach» erhält. Gestützt auf diesen Wortlaut wird heute von der Mehrheit der Lehre die Ansicht vertreten, dass ein pflichtteilsge-schützter Erbe keinen Anspruch auf Erbenstellung habe (vgl. BSK ZGB II-STÄHELIN, Art. 470 N 4 f. mit Hinweisen). Daher ist eine Herabsetzungsklage, mit welcher neben der Durchsetzung der Herabsetzung in Form von vermögenswerten Leistungen zusätzlich die Klage auf Einräumung der Erbenstellung verlangt wird, mit einem erheblichen Risiko behaftet.

d) Erhebung der Herabsetzungsklage als Einmischungshandlung

Die Einreichung einer Herabsetzungsklage stellt, wie die übrigen erbrechtlichen Klagen, eine Einmischungshandlung im Sinne von Art. 571 ZGB dar (vgl. PraxKomm Erbrecht-HÄUPTLI, Art. 571 ZGB N 5; vgl. dazu im Einzelnen auch § 57, Rz 3). 

3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert

Entgegen dem Wortlaut von Art. 533 ZGB und dessen Marginalie handelt es sich bei dieser Frist nach Lehre und Rechtsprechung nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine Verwirkungsfrist (statt vieler BGE 138 III 354 E. 5.2; BGE 98 II 176 E. 10; PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER. Art. 533 ZGB N 1, mit Hinweisen). Daher sind die ent-sprechenden Fristen nur durch die Ausübung des Gestaltungsklagerechts, mithin durch Einreichung des Schlichtungsgesuches gemäss Art. 202 ZPO gewahrt (vgl. Art. 64 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 ZPO).

Gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB verwirkt die Herabsetzungsklage innert eines Jahres (rela-tive Frist) ab jenem Zeitpunkt, in dem der pflichtteilsverletzte Erbe von der Pflichtteilsverletzung Kenntnis erhalten hat. Für den Beginn des Fristenlaufs genügt es, dass der Erbe das Vorliegen einer Pflichtteilsverletzung erkennen kann. Mithin muss er keine genaue Kenntnis vom konkreten Ausmass bzw. der konkreten Höhe der Pflichtteilsverletzung haben. Demnach genügt auch eine ungefähre Kenntnis der Höhe des Nachlasses (es sei denn, der Erbe sei gänzlich übergangen worden; vgl. dazu Rz 15 nachstehend). Aus Sorgfaltsgründen sollte ein Kläger deshalb eine Klage selbst dann innert der Jahresfrist einreichen, wenn er zu jenem Zeitpunkt noch nicht in der Lage ist, das Vorliegen einer Pflichtteilsverletzung abschliessend prüfen zu können. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der pflichtteilsgeschützte Erbe auch eine unbezifferte Herabsetzungsklage einreichen kann (vgl. dazu PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 533 ZGB N 4; BSK ZGB II-FORNI/PIATTI, Art. 533 N 3; vgl. auch III. Ergänzende Hinweise, 1. Rechtsbegehren, Rz 19).

Neben der einjährigen kennt das Gesetz eine zehnjährige (absolute) Verwirkungsfrist. Diese Frist beginnt bei Zuwendungen unter Lebenden mit dem Tod des Erblassers und bei letztwilligen Verfügungen mit der amtlichen Eröffnung. Bei Erbverträgen ist in der Lehre umstritten, wann die zehnjährige Frist zu laufen beginnt. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass auch bei den Erbverträgen die Frist (erst) mit der amtlichen Eröff-nung zu laufen beginnt. Aus Gründen der Sorgfaltspflicht ist es dennoch ratsam, auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen (so ein Teil der Lehre, z.B. PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 533 ZGB N 6 mit Hinweisen).

Schliesslich kann die Herabsetzung auch mittels – und zwar zeitlich unbefristet – Einre-de geltend gemacht werden (Art. 533 Abs. 3 ZGB). Der pflichtteilsgeschützte Erbe kann die Einrede z.B. im Teilungsprozess, unabhängig von der Verteilung der Parteirollen, erheben. Damit kann auch ein Kläger selber «klageweise» die Herabsetzungseinrede geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass die Erhebung einer solchen Einrede das Vorhandensein des Mitbesitzes des einredenden Erben am Nachlassvermögen voraus-setzt (BGE 120 II 417 E. 2). Umstritten ist allerdings, ob dazu der blosse Rechtsbesitz (vgl. Art. 919 Abs. 2 ZGB) genügt oder ob es einen tatsächlichen Besitz (Sachbesitz) an den Erbschaftssachen braucht (vgl. zum Stand der Lehrmeinungen PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 533 ZGB N 9; vgl. auch WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 508). Der Lehrstreit ist in der Praxis insofern und insbesondere dann von Bedeutung, wenn ein Willensvollstrecker eingesetzt oder ein Erbschaftsverwalter installiert wurde, denn diesen kommt unmittelbarer Besitz an den Nachlassaktiven zu. Folgt man der Ansicht, dass der Sachbesitz vorausgesetzt ist, würde dem pflichtteilsgeschützten Erben in diesen Konstellationen die Möglichkeit der einredeweisen Erhebung der Herabsetzung abgeschnitten. Aus Gründen der Vorsicht ist zu raten, in diesen Konstellationen (z.B. Willensvollstreckung, Erbschaftsverwaltung) innert Jahresfrist zu klagen.

Wohl unbestritten ist hingegen, dass ein gänzlich übergangener pflichtteilsgeschützter Erbe (sog. virtueller Erbe) mangels der Voraussetzung des Mitbesitzes keine Möglich-keit hat, seine Pflichtteilsansprüche einredeweise geltend zu machen. Er hat zwingend innerhalb eines Jahres, spätestens aber nach Ablauf von zehn Jahren, die Herabset-zungsklage zu erheben (vgl. statt vieler JAKOB/GARDEL, Schutz, S. 466; STRAZZER, Erbe, S. 148 je mit Hinweisen).

Sich auf die Einredemöglichkeit zu verlassen, birgt weitere Risiken. So könnte aus dem Verhalten auch ein Verzicht des pflichtteilsgeschützten Erben abgeleitet werden, der formlos möglich ist (vgl. auch BGE 133 III 309 E. 5; 108 II 288 E. 3.b; vgl. auch WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 506 f.). Zu beachten gilt überdies, dass dem pflichtteilsge-schützten Erben, der nach abgelaufener Jahresfrist seinen Pflichtteilsanspruch einrede-weise geltend macht, zur Befriedigung nurmehr maximal das vorhandene Nachlassver-mögen (das sog. relictum) zur Verfügung steht. Besteht die Pflichtteilsverletzung aus einer lebzeitigen Zuwendung, die betragsmässig zu einem Pflichtteilsanspruch führt, der das gesamte Nachlassvermögen übersteigt, kann der Zuwendungsempfänger mit der blossen Einrede nicht zu einer Zahlung verpflichtet werden.

Massgeblicher Streitwert ist der potentielle Prozessgewinn des Klägers, also der Betrag, um welchen die Zuwendungen an den Beklagten im Fall der Gutheissung der Herabsetzungsklage herabgesetzt würden (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 80). Sofern es dem Kläger nicht möglich ist, eine bezifferte Klage einzureichen und die eingeklagte Forderung entweder von einer in Kombination mit der Herabsetzungsklage eingereichten Auskunftsklage oder vom Resultat eines mit der Klage beantragten gerichtlichen Bewertungsgutachtens abhängig ist, reduziert sich der (vorläufige) Streitwert entsprechend. Für die diesbezügliche Praxis der Gerichte kann auf die Ausführungen in § 57, Rz 11 verwiesen werden. Anhand der Streitwertberechnung hat der Kläger üblicherweise einen Gerichtskostenvorschuss gemäss Art. 98 ZPO zu bezahlen.

II. Klageschrift

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III. Ergänzende Hinweise

1. Rechtsbegehren (Bezifferbarkeit und Formulierung)

Wie bei anderen Klagen hat der Kläger auch in der Herabsetzungsklage die Rechtsbe-gehren so präzise als möglich zu formulieren, dass sie bei Gutheissung zum Urteil erhoben werden können (vgl. dazu auch § 57, Rz 13). Aber wie bei anderen erbrechtlichen Klagen, insbesondere der Erbteilungsklage, ist es dem Kläger auch bei der Herabsetzungsklage aufgrund der Umstände häufig gar nicht möglich, die Rechtsbegehren dergestalt zu formulieren. Daher kann die Herabsetzungsklage auch als unbezifferte Forderungsklage im Sinne von Art. 85 ZPO angehoben werden (vgl. BGE 121 III 249 E. 2.b; WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 505). 

Zwingend notwendig ist hingegen, dass die im Zeitpunkt der Klageanhebung bekannten herabsetzbaren Zuwendungen, seien es Zuwendungen in Verfügungen von Todes wegen oder seien es lebzeitig erfolgte Zuwendungen, in den Rechtsbegehren je einzeln aufgeführt und genau bezeichnet werden, denn diese stellen die einzelnen Anfechtungsobjekte der Herabsetzungsklage dar. Bei den lebzeitigen Zuwendungen ist neben dem Inhalt der Zuwendung auch die konkrete Höhe (sofern diese Bezifferung möglich ist) und der genaue Zeitpunkt der Zuwendung ins Rechtsbegehren aufzunehmen. Letzteres ist aufgrund der Herabsetzungsreihenfolge gemäss Art. 532 ZGB erforderlich (vgl. I. Vorbemerkungen, 2. Probleme und Risiken bei der Herabsetzungsklage, b) Einhaltung der Herabsetzungsreihenfolge, Rz 7).

2. Wirkung des Herabsetzungsurteils

Die gerichtliche Herabsetzung einer Verfügung von Todes wegen wirkt ausschliesslich «inter partes», das heisst das Urteil hat bloss Rechtswirkung für die am Prozess beteiligten Parteien. Die nicht am Prozess beteiligten Parteien sind daher durch das Herabsetzungsurteil nicht gebunden. Umgekehrt können sie aus einer gutgeheissenen Herabsetzungsklage auch nichts für sich ableiten (vgl. WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 505) und das im Herabsetzungsprozess erstrittene Ergebnis kommt ausschliesslich dem klagenden Pflichtteilserben zu.

Die erfolgreiche Geltendmachung einer Herabsetzungseinrede (Art. 533 Abs. 3 ZGB; vgl. zur Einrede auch I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert, Rz 14 ff.) in einem erbrechtlichen Prozess (z.B. einer Erbteilungsklage) nimmt nicht an der Rechtskraft dieses Urteils teil. Die erfolgreiche Herabsetzungseinrede wirkt lediglich als rechtshinderndes Element, mit der Folge, dass die gegen den Pflichtteilsberechtigten erhobene erbrechtliche Klage abgewiesen wird, sofern sie den Pflichtteil verletzt. Eine spätere identische Klage zwischen denselben Parteien ist infolge der materiellen Rechtskraft ausgeschlossen. Der pflichtteilsberechtigte Erbe ist damit aber dennoch genügend geschützt, weil sein rechtmässiger Besitz an den von den Klägern herausverlangten Nachlassobjekten bestätigt wird (vgl. WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 505). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein gänzlich übergangener pflichtteilsgeschützter Erbe (sog. virtueller Erbe) sich nie auf die Einrede berufen kann, sondern er seine Erbenstellung stets mit einer Herabsetzungsklage gelten machen muss (vgl. dazu I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert, Rz 15).

3. Aktiv- und Passivlegitimation

Die Aktivlegitimation zur Erhebung einer Herabsetzungsklage steht ausschliesslich den pflichtteilsgeschützten Erben zu (mit Ausnahme der Konkursverwaltung oder der Gläubiger des Pflichtteilserben unter den Voraussetzungen von Art. 524 ZGB), die nicht dem Werte nach ihren Pflichtteil erhalten haben (Art. 522 Abs. 1 ZGB; vgl. dazu auch I. Vorbemerkungen, 2. Probleme und Risiken bei der Herabsetzungsklage, c) Beschaffenheit des Pflichtteils, Rz 9). Klagen mehrere pflichtteilsgeschützte Erben, bilden diese bloss eine einfache Streitgenossenschaft (Art. 71 Abs. 1 ZPO).

Passivlegitimiert ist jeder Begünstigte aus einer Verfügung von Todes wegen oder einer herabsetzbaren Zuwendung, sofern diese Begünstigungen den Pflichtteil verletzen. Dies können gesetzliche oder eingesetzte Erben, aber auch Vermächtnisnehmer und auch an der Erbteilung nicht beteiligte Dritte sein.

Dem Kläger steht es überdies frei, die Herabsetzung nur gegenüber bestimmten Zuwendungsempfängern und Begünstigten zu verlangen. Aus diesem Grund bilden die Beklagten, die gemeinsam eingeklagt werden, ebenfalls bloss eine einfache Streitgenossenschaft (Art. 71 Abs. 1 ZPO).

4. Rechtsnatur der Rechtsbegehren

Die Herabsetzungsklage gegen Verfügungen von Todes wegen ist eine Gestaltungskla-ge. Die Klage zielt darauf ab, dass die Erbansprüche im Nachlass abweichend vom letzten Willen des Erblassers gestaltet werden. Diese Rechtsgestaltung muss jedoch im Rechtsbegehren verlangt werden; es reicht demnach nicht aus, wenn der Kläger lediglich die Feststellung, wonach gewisse Begünstigungen seinen Pflichtteil verletzen, verlangt (vgl. WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 497; BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 83).

Die Herabsetzungsklage gegen lebzeitige Zuwendungen hat gemäss Bundesgericht zwar ebenfalls Gestaltungswirkung (vgl. BGE 115 II 211; 102 II 329). Allerdings ist zu empfehlen, dass neben den Herabsetzungsbegehren als Gestaltungsbegehren auch ein Leistungsbegehren in die Rechtsbegehren aufgenommen wird, das den Beklagten bei erfolgreicher Gutheissung der Herabsetzungsklage zur Rückleistung der lebzeitigen Zuwendung (oder zu einem Teil davon) verpflichtet. Eine solche Leistungsklage stützt sich gemäss Bundesgericht auf Art. 528 ZGB (BGE 110 II 228; WOLF/GENNA, SPR IV/1, S. 497 f.). Insofern handelt es sich um eine objektive Klagehäufung (BGE 115 II 211; vgl. dazu auch BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 83 ff.).

5. Kombination der Herabsetzungsklage mit anderen erbrechtlichen Klagen

Lebzeitige Zuwendungen können in erbrechtlicher Hinsicht der Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) oder der Herabsetzung (Art. 522 ff. ZGB) unterliegen. Ausgleichungspflichtige Zuwendungen sind bei der Erbteilung zum reinen Nachlass hinzuzurechnen (sofern der Zuwendungsempfänger die Zuwendung nicht in natura in den Nachlass einwirft; vgl. Realkollation gemäss Art. 629 ZGB), und zwar zum Verkehrswert im Zeitpunkt des Todestages (Todestagprinzip; vgl. Art. 630 ZGB). Die Ausgleichung einer lebzeitigen Zuwendung führt dazu, dass sich der Ausgleichungsempfänger diese Zuwendung an seinen Erbteil anzurechnen hat. Damit wird die Zurechnung im Nachlass auch vollumfänglich berücksichtigt, was zur Erhöhung der Teilungsmasse führt und damit für die Erben rechnerisch vorteilhafter ist. Da in der Praxis häufig nicht klar ist, ob eine Zuwendung überhaupt auszugleichen ist oder bloss für die Berechnung der Pflichtteile massgebend ist und daher «bloss» der Herabsetzung unterliegt, ist zu empfehlen, die Ausgleichungsklage mit einer Herabsetzungsklage zu kombinieren. Selbstredend ist auch eine Kombination mit der Erbteilungsklage und/oder mit einer Auskunftsklage sinnvoll (zu Letzterer vgl. § 57, Rz 18 ff.).

iusNet ER 18.10.2018

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I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

X, wohnhaft in Meilen (ZH), hat einen Sohn (S) und eine Tochter (T). Am 10. Juli 2005 hat er T ein Mehrfamilienhaus in Thalwil (ZH), das zu diesem Zeitpunkt unbelastet war, unentgeltlich übertragen. Der Verkehrswert des Mehrfamilienhauses belief sich im Übertragungszeitpunkt auf CHF 3 Mio. X hinterlässt im Zeitpunkt des Todes einen Nettonachlass von CHF 2 Mio. Dieser setzt sich aus einem Einfamilienhaus in Meilen (Verkehrswert im Todeszeitpunkt CHF 1.5 Mio.) und einem Bankvermögen von CHF 500‘000.00 zusammen. Das T bereits zu Lebzeiten übertragene Mehrfamilienhaus hat im Zeitpunkt des Todes von X einen Verkehrswert von CHF 4 Mio. In einer am 4. Januar 2014 errichteten letztwilligen eigenhändigen Verfügung weist X seiner Lebenspartnerin (L) das Einfamilienhaus in Meilen als Vermächtnis zu, im Übrigen bestätigt X die gesetzliche Erbfolge, hält jedoch fest, dass T die Zuwendung des Mehrfamilienhauses nicht auszugleichen hat. 

iusNet ER 18.10.2018

 

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