iusNet Erbrecht

Schulthess Logo

Erbrecht > Arbeitshilfen > Anfechtungsklage Wegen Verletzung Des Erbvertrages

Anfechtungsklage wegen Verletzung des Erbvertrages

Anfechtungsklage wegen Verletzung des Erbvertrages

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

Der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin hinterliess einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Die Erblasserin, schweizerische Staatsangehörige mit letztem Wohnsitz in Zürich, und ihr Ehemann schlossen am 1. Februar 2000 einen Ehe- und Erbvertrag (nachfolgend «Erbvertrag»). Im Erbvertrag vereinbarten die Erblasserin und ihr Ehemann, dass dem überlebenden Ehegatten das ganze eheliche Vermögen (unter Berücksichtigung der Pflichtteile des Sohnes und der Tochter) zufallen soll. Des Weiteren vereinbarten die Erblasserin und ihr Ehemann, dass der Nachlass des nachversterbenden Ehegatten ganz den Nachkommen des Ehemannes aus erster Ehe zu gleichen Teilen zufallen soll. Aus der Ehe der Erblasserin und ihres Ehemannes gingen keine Kinder hervor. Der Ehemann verstarb im Jahre 2005 mit letztem Wohnsitz in Zürich. Daraufhin schlossen die Erblasserin und die Nachkommen des Ehemanns einen Erbteilungsvertrag.

Die Erblasserin missachtete nach dem Ableben ihres Ehemannes ihre Verpflichtung aus dem Erbvertrag und errichtete am 10. Juli 2012 eine letztwillige eigenhändige Verfügung (nachfolgend «letztwillige Verfügung») und setzte darin die Tochter als Alleinerbin ein. Da bei der Erblasserin eine Unsicherheit bestand, ob ihre letztwillige Verfügung einer Anfechtung des Sohnes nach ihrem Ableben standhalten werde, traf sie zu Lebzeiten weitere Vorkehrungen. Die Erblasserin schenkte der Tochter gesamthaft CHF 500‘000.00, aufgeteilt auf mehrere Kontoüberweisungen über einen Zeitraum von zwei Jahren vor ihrem Ableben. Die Erblasserin verstarb am 6. April 2015. Der Sohn hat sich entschieden, gegen die Tochter gerichtlich vorzugehen, da die Tochter an der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung festhält und Schenkungen durch die Erblasserin bestreitet.

2. Probleme und Risiken bei der Anfechtungsklage wegen Verletzung des Erbvertrages

a) Grundsatz

Ein erbvertraglich Begünstigter kann mittels Anfechtungsklage gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB erbvertragswidrige Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers anfechten. Die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB ist eine der Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB nachgebildete Klage (BGE 101 II 305 E. 3.b; DRUEY, Erbrecht, § 10 Rz 51 f.; BSK ZGB II-BREITSCHMID, Art. 494 N 9). Die gesetzlichen Bestimmungen zur Herabsetzungsreihenfolge (Art. 532 ZGB) und Verwirkung (Art. 533 ZGB) finden damit auch auf die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit unmittelbar Anwendung (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 18).

Der Erbvertrag entfaltet als Rechtsgeschäft von Todes wegen erst nach dem Ableben des Erblassers Wirkung (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99a). Der Erblasser kann somit zu Lebzeiten grundsätzlich frei über sein gesamtes Vermögen verfügen. Verfügungen von Todes wegen und Schenkungen zu Lebzeiten, welche mit einem (früheren) Erbvertrag unvereinbar sind, können daher erst nach dem Tod des Erblassers mit der Klage gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB angefochten werden (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99a; Prax-Komm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 17).

b) Anfechtbare Handlungen

Art. 494 Abs. 3 ZGB legt fest, dass einerseits Verfügungen von Todes wegen und andererseits Schenkungen anfechtbar sind, sofern sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind. Anfechtbar sind damit alle Erbverträge und Testamente sowie Schenkungen (einschliesslich gemischter Schenkungen), welche mit früher errichteten erbvertraglichen Anordnungen unvereinbar sind.
Mit dem Erbvertrag unvereinbar sind sämtliche Handlungen des Erblassers, welche seine erbvertraglichen Pflichten irgendwie vermindern, belasten oder sonst wie ändern (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 19a). Eine Modifikation der Pflichten kann auch dann mit dem Erbvertrag unvereinbar sein, wenn daraus kein direkter materieller Nachteil für den Begünstigten resultiert (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99c, beispielsweise kann eine Modifikation der Rechtsstellung des Begünstigten vom Erben zum Vermächtnisnehmer mit dem Erbvertrag unvereinbar sein).

Besonderheiten ergeben sich für die Schenkungen aufgrund von Art. 494 Abs. 2 ZGB. Diese gesetzliche Bestimmung legt fest, dass der Erblasser über sein Vermögen zu Lebzeiten grundsätzlich frei verfügen kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts sind daher nur rechtsmissbräuchliche Schenkungen mit dem Erbvertrag unvereinbar. In Betracht kommen insbesondere Schenkungen, welche der Erblasser in der Absicht der Schädigung seines Vertragspartners getroffen hat (BGer 5C.71/2001 vom 28.09.2001 E. 3.b). In einem Entscheid aus dem Jahre 2014 wurde sodann festgehalten, dass Art. 494 Abs. 3 ZGB zur Anwendung gelangt, wenn der Erblasser mit seinen Schenkungen beabsichtigt, seine Verpflichtungen aus dem Erbvertrag auszuhöhlen, was einem Rechtsmissbrauch gleichkomme (BGE 140 III 193 E. 2.1). Eine Unvereinbarkeit mit dem Erbvertrag liegt auch dann vor, wenn der Erblasser gegenüber dem Erbvertragspartner eine (der Schenkung entgegenstehende) Zusicherung abgegeben hat (BGE 70 II 255 E. 2.b). 

HRUBESCH-MILLAUER argumentiert unseres Erachtens allerdings zu Recht dafür, dass sich eine unterschiedliche Behandlung von Verfügungen von Todes wegen und von Schenkungen nicht rechtfertigt. Der Erbvertrag enthält damit stets ein implizites Schenkungsverbot. Diese Verfügungsbeschränkung ist eine erbrechtliche Beschränkung. Schenkungen, die nicht mit den Pflichten aus dem Erbvertrag vereinbar sind, unterliegen daher unseres Erachtens stets der Anfechtung gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB (vgl. dazu ausführlich HRUBESCH-MILLAUER, Vereinbarkeit, S. 55 ff.).

c) Vertragsmässige oder einseitige Anordnungen

Wenn der Erblasser nachträglich Anordnungen in einem Erbvertrag einseitig ändert, muss unterschieden werden, ob es sich um eine vertragsmässige und damit bindende oder eine einseitige und damit widerrufbare Anordnung handelt (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Vorbem. zu Art. 494 ff. ZGB N 44). Das Bundesgericht folgt der Interessentheorie bei der Bestimmung, ob eine vertragliche oder einseitige Anordnung vorliegt (BGE 133 III 406 E 2.3). Eine vertragliche und damit bindende Anordnung liegt nach der Interessentheorie vor, wenn die Anordnung dem Erbvertragspartner zum Vorteil gereicht und er ein für den Erblasser erkennbares Interesse an der Erfüllung hat (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Vorbem. zu Art. 494 ff. ZGB N 45). Das Interesse des Erblassers ist bei der Wertung miteinzubeziehen (BGer 5C.202/2006 vom 16.02.2007 E. 3.2 und 4.3.1). Bei der Ermittlung der Interessenlage kommt das im Vertragsrecht massgebende Vertrauensprinzip zur Anwendung (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Vorbem. zu Art. 494 ff. ZGB N 44a, N 67 mit weiteren Hinweisen; a.M. HRUBESCH-MILLAUER, Urteilsbesprechung BGE 133 III 406, S. 1451). 

Bindende Anordnungen in einem Erbvertrag können jederzeit durch gegenseitige Übereinkunft der Vertragsparteien aufgehoben werden (Art. 513 Abs. 1 ZGB). Für die Aufhebung genügt die einfache Schriftlichkeit gemäss Art. 13 OR. Die Unterschrift der durch den Aufhebungsvertrag belasteten Partei ist dabei ausreichend (BGE 104 II 341 E. II./4.c).

d) Einmischungshandlung

Die Einreichung einer Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit stellt eine Einmischungshandlung gemäss Art. 571 ZGB dar (PraxKomm Erbrecht-HÄUPTLI, Art. 571 ZGB N 5). Die Einmischungshandlung hat die Wirkung, dass der betroffene Erbe den Nachlass nicht mehr ausschlagen kann (Art. 571 Abs. 2 ZGB). Ausserdem kann der betroffene Erbe nicht mehr ein öffentliches Inventar (Art. 580 Abs. 1 i.V.m. Art. 571 Abs. 2 ZGB) oder eine amtliche Liquidation (Art. 593 Abs. 1 i.V.m. Art. 571 Abs. 2 ZGB) verlangen. 

3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert

Auf die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit finden die Verwirkungsfristen von Art. 533 ZGB analog Anwendung (BGE 73 II 6 E. 4). Entgegen der gesetzlichen Bezeichnung als «Verjährungsfrist», handelt es sich bei der relativen Frist von einem Jahr und der absoluten Frist von 10 Jahren um Verwirkungsfristen (BGE 138 III 354 E. 5.2;   98 II 176 E. 10; PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 533 ZGB N 1). Die Verwirkungsfristen werden durch den erbvertraglich Begünstigten nur mittels Klageanhebung gewahrt, mithin also durch die Einreichung eines Schlichtungsgesuches bei der zuständigen Schlichtungsbehörde (Art. 64 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 ZPO). Eine Unterbrechung nach Art. 135 OR oder ein Neubeginn der Frist nach Art. 137 OR und Art. 138 OR sind als Folge der Ausgestaltung als Verwirkungsfrist nicht möglich (BGE 102 II 193 E. 2.b; BSK ZGB II-FORNI/PIATTI, Art. 533 N 1).

Gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB tritt die Verwirkung der Anfechtungsklage mit Ablauf eines Jahres ein, gerechnet von dem Zeitpunkt, an welchem der Begünstigte von der erbvertragswidrigen Verfügung von Todes wegen oder den erbvertragswidrigen Schenkungen Kenntnis erhalten hat. Die Verwirkungsfrist fängt frühestens mit dem Tod des Erblassers an zu laufen. Der Anfechtende muss nicht das exakte Ausmass der Verletzung des Erbvertrages kennen. Für den Beginn der einjährigen Verwirkungsfrist genügt es, wenn der Anfechtende das Vorliegen von mit dem Erbvertrag unvereinbaren letztwilligen Verfügungen und Schenkungen erkennen kann (BSK ZGB II-FORNI/PIATTI,    Art. 533 N 3).

In jedem Fall verwirkt die Anfechtungsklage mit dem Ablauf von zehn Jahren. Damit kennt das Gesetz neben der einjährigen auch eine zehnjährige absolute Verwirkungsfrist. Die zehnjährige absolute Verwirkungsfrist beginnt für lebzeitige Zuwendungen mit dem Tod des Erblassers und für letztwillige Verfügungen mit deren Eröffnung (BSK ZGB II-FORNI/PIATTI, Art. 533 N 2). 

Einredeweise kann die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit in analoger Anwendung von Art. 533 Abs. 3 ZGB jederzeit geltend gemacht werden. Der Anfechtende muss jedoch (Mit-)Besitz am Nachlass haben (BGE 120 II 417 E. 2). Es ist in der Literatur umstritten, ob der Anfechtende bloss Rechtsbesitz (Art. 919 Abs. 2 ZGB) oder tatsächlichen Besitz am Nachlass haben muss (PraxKomm Erbrecht-HRUBESCH-MILLAUER, Art. 533 ZGB N 9). Dem Lehrstreit kommt insbesondere bei der Einsetzung eines Willensvollstreckers oder einer Erbschaftsverwaltung Bedeutung zu, da der Anfechtende dann höchstens Rechtsbesitz am Nachlass hat.

Entsprechend der Herabsetzungsklage ist auch bei der Anfechtungsklage der potentielle Prozessgewinn der massgebende Streitwert (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 80). Entscheidend ist folglich der Betrag, um welchen sich die Zuwendung an den Anfechtenden bei Gutheissung der Anfechtungsklage erhöhen würde. In der Praxis ist allerdings häufig eine genaue Bezifferung des Streitwerts nicht möglich, weil beispielsweise Informationen zur Höhe der Schenkungen zu Lebzeiten oder zur Höhe des Nachlasses fehlen. Der Kläger muss die Anfechtungsklage in einer solchen Situation mit einem Auskunftsbegehren kombinieren und beim zuständigen Gericht beantragen, dass der Prozess vorerst auf das Auskunftsbegehren zu beschränken ist. Der Informationsanspruch ist lediglich präparatorischer Natur, er schafft mit anderen Worten nur die Voraussetzungen für die Anfechtungsklage (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 37). Die ZPO enthält keine Regeln zur Bezifferung von Auskunftsbegehren. Die Lehre setzt den Streitwert der isolierten Auskunftsbegehren mit einem Bruchteil der vermögenswerten Interessen des Klägers fest (vgl. BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 37; GENNA, Widersprüchlichkeiten, S. 203 ff., insb. S. 205). Dieser Grundsatz muss auch auf Anfechtungsklagen kombiniert mit Auskunftsbegehren angewendet werden, da der Kläger seine Anfechtungsklage so lange nicht beziffern kann, als er nicht über die dafür notwendigen Informationen verfügt. Der Kläger hat gemäss Art. 85 ZPO allerdings einen Mindestwert für die Klage anzugeben, der als vorläufiger Streitwert gilt. In der Lehre wird ein Mindestwert von 10% des Vermögens vertreten, welches vom Auskunftsanspruch betroffen ist (vgl. GENNA, Widersprüchlichkeiten, S. 205).

Die Kosten bemessen sich nach den allgemeinen prozessualen Regeln (im Kanton Zürich nach der GebV OG/ZH). Üblicherweise muss basierend auf dem Streitwert ein Gerichtskostenvorschuss gemäss Art. 98 ZPO geleistet werden. Bei gegebenen Voraussetzungen kann zumindest im ordentlichen Verfahren die Bevorschussung der mutmasslichen Parteientschädigung verlangt werden (Art. 99 ZPO).

II. Klageschrift

Musterklageschrift zum Download

III. Ergänzende Hinweise

1. Bezifferbarkeit der Rechtsbegehren 

Generell soll ein Rechtsbegehren so präzise wie möglich ausformuliert sein. Dies gilt auch für Anfechtungsklagen. Das Rechtsbegehren sollte so ausformuliert sein, dass es ohne weiteres als vollstreckbares Entscheiddispositiv verwendet werden kann. Eine genaue Bezifferung des Rechtsbegehrens ist bei der Anfechtungsklage allerdings oft nicht möglich, da dem Kläger nicht alle notwendigen Informationen vorliegen.

Falls es der klagenden Partei unmöglich ist, die Forderung bereits am Anfang des Prozesses zu beziffern, so kann sie gemäss Art. 85 ZPO vorerst eine unbezifferte Forderungsklage erheben. Dies ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung insbesondere für erbrechtliche Herabsetzungsklagen und somit auch für Anfechtungsklagen gemäss Art. 494 Abs. 3 ZPO möglich (vgl. BGE 121 III 249 E. 2.b; BSK ZPO-SPÜHLER, Art. 85 N 7). Ein Mindestwert, der als vorläufiger Streitwert gilt, muss dennoch angegeben werden (vgl. dazu I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen und Kosten bzw. Streitwert, Rz 16). Die endgültige Bezifferung der Forderung ist erforderlich, sobald man nach Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Auskunftserteilung dazu in der Lage ist. Dies dürfte  vorliegend bereits nach der Auskunftserteilung der Beklagten der Fall sein. 

2. Wirkung der Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit und deren positive Beurteilung

Die Wirkungen und Regeln der Anfechtungsklage können grundsätzlich denen von Art. 528 ZGB, d.h. der Rückleistung, gleichgestellt werden, da die Regeln von Art. 525 ff. ZGB analog Anwendung finden. Somit wird es dem Kläger ermöglicht, das vom Beklagten Empfangene zurückzufordern bzw. einen wertmässigen Ersatz zu verlangen (vgl. BSK ZGB II-BREITSCHMID, Art 494 N 15). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der gutgläubige Dritte nur die Bereicherung zu erstatten hat, welche im Zeitpunkt des Erbgangs noch vorhanden ist (Art. 528 Abs. 1 ZGB). 

Die Rechtswirkung eines solchen Urteils beschränkt sich ausschliesslich auf die am Prozess teilnehmenden Parteien. Das Urteil hat damit einzig inter partes-Wirkung. Die am Prozess nicht beteiligten Parteien können bei Gutheissung der Klage nichts für sich ableiten. Umgekehrt können die nicht beteiligten Parteien auch nicht durch ein Urteil gebunden werden (vgl. BSK ZPO-WEBER, Art. 87 N 7 für die Herabsetzungsklage).

3. Aktiv- und Passivlegitimation

Zur Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit sind sowohl Vertragserben als auch begünstigte Drittparteien (i.e. Vermächtnisnehmer) aktivlegitimiert. Gleiches gilt für den im Erbvertrag Bedachten, der eine Herabsetzung gegen sich dulden musste (vgl. BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 74; PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 27). Letzterer ist gemäss Art. 528 Abs. 2 ZGB befugt, für die von ihm erbrachte Gegenleistung einen entsprechenden Betrag zurückzufordern (PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 27).

Jeder einzelne Vertragserbe, Vermächtnisnehmer oder Bedachte ist zur Klage aktivlegitimiert (BGE 62 II 132 E. 1). Besonders zu beachten ist, dass die Gläubiger der erbvertraglich Begünstigten – anders als bei der Herabsetzungsklage – kein Anfechtungsrecht haben und damit nicht aktivlegitimiert sind (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99g). Gleiches gilt für den Willensvollstrecker (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99g).

Passivlegitimiert sind die Begünstigten von erbvertragswidrigen Schenkungen oder Verfügungen von Todes wegen. Auch hier ist jeder einzelne Begünstigte passivlegitimiert (vgl. PraxKomm Erbrecht-GRUNDMANN, Art. 494 ZGB N 28). Ein Willensvollstrecker ist nicht passivlegitimiert (BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99h). Offen ist, ob ein bösgläubiger Dritterwerber nach Art 494 Abs. 3 ZGB ins Recht gefasst werden kann (vgl. dazu BRÜCKNER/WEIBEL, Klagen, Rz 99h). 

4. Rechtsnatur der Rechtsbegehren 

Die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes keine Gesamthandklage (vgl. BGE 62 II 132 E. 1; BSK ZGB II-BREITSCHMID, Art 494 N 14). Es handelt sich dabei, wie auch bei der Herabsetzungsklage, um eine Gestaltungsklage, unabhängig davon, ob sie gegen testamentarische Verfügungen oder Schenkungen gerichtet ist.

5. Kombination einer Anfechtungsklage mit anderen erbrechtlichen Klagen

Eine Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit wird oft in Verbindung mit anderen erbrechtlichen Klagen geltend gemacht.

Praktisch relevant ist die Kombination von Auskunfts- und Anfechtungsklage. Oft befindet sich der Kläger in einer Situation, in der er mit Informationsdefiziten zu kämpfen hat. Aus diesem Grund sieht das Gesetz in Art. 610 Abs. 2 ZGB und Art. 607 Abs. 3 ZGB eine (materiellrechtliche) Informationspflicht der Erben gegenüber ihren Miterben vor. Demzufolge haben Erben einander alles mitzuteilen, was für die Teilung eines Nachlasses von Bedeutung sein könnte oder nach objektiver Betrachtung möglicherweise geeignet erscheint (BGE 127 III 396 E. 3). Die Auskunftspflicht ist umfassend und betrifft jegliche vom Erblasser zu Lebzeiten erhaltenen Zuwendungen, insbesondere Schenkungen und Darlehen, die den Miterben zugekommen sind, sowie die Kenntnis über Zuwendungen zu Gunsten Dritter (vgl. BGE 127 III 396; PraxKomm Erbrecht-WEIBEL, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N 34). Ohne Auskunftspflicht wäre es weder möglich, die erbrechtlichen Rechte wahrzunehmen, noch die Klage korrekt zu beziffern (vgl. PraxKomm Erbrecht-WEIBEL, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N 16).

Auskunftsbegehren werden auf Grund ihres präparatorischen Charakters auch oft als erster Teil einer Stufenklage geltend gemacht (PraxKomm Erbrecht-WEIBEL, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N 46). 

Die Anfechtungsklage wird in der Praxis oft mit der Erbteilungsklage kombiniert, welche die Auflösung des Gesamthandverhältnisses der Erbengemeinschaft als Ziel hat. Bei gesetzlichen Erben empfiehlt es sich ferner, die Anfechtungsklage mit der Ausgleichungsklage gemäss Art. 626 ff. ZGB und/oder bei pflichtteilsgeschützten Erben mit der Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB zu kombinieren, da es manchmal schwer zu unterscheiden ist, ob eine Schenkung auszugleichen, im Sinne von Art. 522 ZGB herabzusetzen oder im Sinne von Art. 494 Abs. 3 ZGB anfechtbar ist.

6. Erbrechtliche Klagen und Schiedsgerichtsbarkeit

Unabhängig davon, ob es sich um ein internationales (gemäss Art. 176 ff. IPRG) oder ein nationales (gemäss Art. 353 ff. ZPO) Schiedsverfahren handelt, stellt sich bei erbrechtlichen Klagen immer die Frage nach dem Bestehen einer Schiedsvereinbarung. Die Schiedsvereinbarung ist insbesondere dann problematisch, wenn der Erblasser die Schiedsvereinbarung einseitig in seinem Testament festsetzte (vgl. dazu umfassend SCHLUMPF, Schiedsklauseln, Rz 22 ff.). Unproblematisch ist die Situation, in welcher die Parteien dem Schiedsverfahren ausdrücklich in einer Schiedsvereinbarung zugestimmt haben.

Bei der objektiven Schiedsfähigkeit muss zwischen der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterschieden werden. Art. 177 Abs. 1 IPRG sieht für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit vor, dass jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein kann. Das Bundesgericht legt den Begriff des vermögensrechtlichen Anspruchs weit aus, weshalb die erbrechtlichen Klagen in der Regel gemäss Art. 177 IPRG schiedsfähig sind (vgl. BGE 118 II 353 E. 3.a; JAHNEL/SYKORA/ GLATTHARD, Arbitration, Rz 15–16). Bei Binnenschiedsverfahren gilt Art. 354 ZPO, wonach jeder Anspruch Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein kann, über den die Parteien frei verfügen können. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, ob Pflichtteile frei verfügbare Ansprüche der Erben darstellen. Dem sollte zugestimmt werden, da die Erben jederzeit auf ihre Pflichtteile verzichten können (JAHNEL/SYKORA/GLATTHARD, Arbitration, Rz 18–19). Unseres Erachtens sind erbrechtliche Ansprüche somit auch in der Binnenschiedsgerichtsbarkeit schiedsfähig.

Die Anfechtungsklage wegen Erbvertragswidrigkeit kann somit in einem Schiedsverfahren geltend gemacht werden, sofern die Parteien des Schiedsverfahrens eine Schiedsvereinbarung getroffen haben oder sich auf das Schiedsverfahren eingelassen haben.
 

iusNet ErbR 25.02.2020

Anfechtungsklage wegen Verletzung des Erbvertrages

Arbeitshilfen
Erbrechtliche Klagen

Anfechtungsklage wegen Verletzung des Erbvertrages

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage 

Der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin hinterliess einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Die Erblasserin, schweizerische Staatsangehörige mit letztem Wohnsitz in Zürich, und ihr Ehemann schlossen am 1. Februar 2000 einen Ehe- und Erbvertrag (nachfolgend «Erbvertrag»). Im Erbvertrag vereinbarten die Erblasserin und ihr Ehemann, dass dem überlebenden Ehegatten das ganze eheliche Vermögen (unter Berücksichtigung der Pflichtteile des Sohnes und der Tochter) zufallen soll. Des Weiteren vereinbarten die Erblasserin und ihr Ehemann, dass der Nachlass des nachversterbenden Ehegatten ganz den Nachkommen des Ehemannes aus erster Ehe zu gleichen Teilen zufallen soll. Aus der Ehe der Erblasserin und ihres Ehemannes gingen keine Kinder hervor. Der Ehemann verstarb im Jahre 2005 mit letztem Wohnsitz in Zürich. Daraufhin schlossen die Erblasserin und die Nachkommen des Ehemanns einen Erbteilungsvertrag.

iusNet ErbR 25.02.2020

 

Der komplette Artikel mit sämtlichen Details steht exklusiv iusNet Abonnenten zur Verfügung.